Sicht eines katholischen Krankenhauspfarrers

Seelsorgliche Assistenz beim Suizid?

Die aktuelle Diskussion um die rechtliche Neuregelung zum assistierten Suizid in Deutschland hat auch Auswirkungen auf das Selbstverständnis in der Seelsorge. Als katholischer Pfarrer bin ich in der Seelsorge am Universitätsklinikum Frankfurt a. M. tätig. Vor allem beschäftigt mich die Frage danach, wie ich darauf reagieren würde, wenn mich Patienten bitten, sie in ihrem Vorhaben, sich das Leben zu nehmen, seelsorglich zu begleiten. Eine Form der ärztlichen Assistenz beim Suizid könnte mit dem Wunsch nach einer „seelsorglichen Assistenz“ einhergehen.

Eine hypothetische Diskussion

Vorweg muss ich sagen, dass ich dies zunächst als hypothetische Gedankengänge empfinde. In meinem nunmehr über zwanzigjährigen Wirken als Seelsorger (wovon ich die letzten sieben Jahre in der Krankenhausseelsorge tätig bin) wurde ich bisher nicht darauf angesprochen. Zum einen mag das sicher daran liegen, dass es eine deutlich ablehnende Haltung zum Suizid in den Verlautbarungen (vorrangig der katholischen) Kirche gibt. Ich kann mir vorstellen, dass wer mit dem Gedanken spielt, sein Sterben vorzeitig herbeizuführen, dies nicht zwangsläufig mit einem Vertreter der katholischen Kirche besprechen möchte. Vor allem erlebe ich in meinem Wirken in einem Akutkrankenhaus, dass die meisten der Patienten mit dem Wunsch auf Heilung von ihrer Krankheit, zumindest auf Linderung ihrer Beschwerden behandelt werden. Zum seelsorglichen Alltag gehört viel mehr die gemeinsame Suche nach Umgangsformen, wenn eine Form der kurativen Medizin nicht mehr gegeben ist. Ich vermute, dass es vielen Ärztinnen und Ärzten ähnlich wie mir geht. Die Frage nach der Legitimität eines Suizidwunsches bzw. des Anspruches nach Unterstützung hierbei erfahre ich eher bei Angehörigen. Manche sprechen über ihre Gedanken, dass sie, falls sie selbst in eine ähnliche Lage kommen, sich lieber das Leben nehmen wollen als so zu leiden. Ich vermute, dass die Frage nach ärztlicher Assistenz beim Suizid eher an niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bzw. jene, die im Palliativwesen tätig sind, herangetragen wird. So wird die Anfrage nach einer seelsorglichen Begleitung beim Suizid ggf. auch eher auf Seelsorger und Seelsorgerinnen der Gemeinden zukommen. So könnte beispielsweise der Wunsch nach den Sterbesakramenten vor einem Suizid aufkommen.

Ein christlicher Anspruch der Lebens­förderung

Aus dem christlichen Glauben heraus erwächst zunächst der Anspruch des Schutzes und der Förderung des Lebens. Das Christentum entstand in einer Zeit, in der im hellenistisch-römischen und auch im antiken jüdischen Umfeld kranke, vor allem unheilbar kranke und sterbenskranke Menschen isoliert wurden. Jesus und seine Jünger und Jüngerinnen wendeten sich den Kranken zu. Sie integrierten sie in ihre Glaubensgemeinschaft, statt sich von ihnen abzugrenzen. Das Christentum wächst auch heute in den Gesellschaften, wo kranke Menschen als „wertloses Leben“ empfunden werden, weil sich das Christentum für den Schutz und die Förderung gerade von kranken Menschen einsetzt. Im christlichen Glauben wird das Leben als Gabe Gottes als eines der höchsten Güter verstanden. Die Tötung des (auch des eigenen) Lebens widerspricht diesem christlichen Anspruch. Vielmehr versteht sich christliches Handeln in der Förderung der Begleitumstände, so dass auch schwerkranke Menschen in ihrem Leid Begleitung, Annahme und Fürsorge erleben. Die Ziele der palliativen Medizin decken sich mit dem Kern christlichen Anspruchs. Als Seelsorger verstehe ich daher vorrangig meine Aufgabe (und erneut erahne ich, dass sich dieses Selbstverständnis mit dem der meisten Ärztinnen und Ärzte deckt) in der Förderung des Lebens – während eine Anfrage der seelsorglichen Begleitung beim Suizid diesem Anspruch widerspricht.

Der Anspruch, dem Menschen zur Seite zu stehen

Vor allem aus dem Anspruch, den einzelnen Menschen nicht allein zu lassen, sich nicht von ihm abzugrenzen, ihn nicht zu isolieren, erwächst wiederum in der Seelsorge (vor allem der an den Kranken) der Anspruch, den Menschen zur Seite zu stehen, selbst wenn sie nach Auffassung anderer nicht den richtigen Lebensweg gehen. Die Förderung suizidaler Handlungen ist aus seelsorglicher Sicht auszuschließen. Sicherlich gehört es auch zur Seelsorge, andere Verhaltensmöglichkeiten aufzuweisen. Im Einzelnen wird es aufgrund vorbenannten Anspruches auch Gründe geben, weshalb Seelsorgerinnen und Seelsorger Menschen spirituell auf dem Weg zu ihrem Suizid zur Seite stehen. Gleichfalls werden andere dies aus ihrer eigenen Gewissensentscheidung nicht tun. Ähnlich, wie es aus ärztlicher Sicht keine Indikation zum Suizid geben kann, kann es kein Anrecht auf, aber den Wunsch nach seelsorglicher Begleitung geben. Ein wichtiger Aspekt wird sein, inwieweit Seelsorgerinnen und Seelsorgern, die Menschen mit suizidaler Absicht begleiten, nicht unterstellt wird, dass sie den Suizid gutheißen bzw. unterstützen.

Ein (Zwischen-)Fazit

Den zunächst hypothetischen Gedankengang möchte ich für mich persönlich mit einem Zwischenfazit unterbrechen. Falls eine Anfrage zur seelsorglichen Begleitung eines suizidwilligen Menschen auf mich zukommt, werde ich das Seelsorgegespräch suchen. Immerhin birgt es die Möglichkeit, einen Anspruch zum Leben aus christlicher Sicht deutlich machen zu können. Ob und wie sich eine Begleitung konkret gestaltet, wird dann von der Begegnung abhängig sein.

Pfarrer Matthias Struth, Kath. Seelsorge am Universitäts­klinikum Frankfurt/Main

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