Landesregierung plant Quote für Bewerber, die sich für zehnjährigen Einsatz in unterversorgten Regionen verpflichten

Nordrhein-Westfalen hat sie bereits, das Saarland und Bayern ebenfalls. Jetzt will auch Hessen eine Quote einführen, die den Zugang zum Medizinstudium für jene Bewerberinnen und Bewerber erleichtert, die sich zu einer Niederlassung in unterversorgten Regionen verpflichten. Anders als etwa in Baden-Württemberg und vom Präsidenten der Landesärztekammer Hessen Dr. med. Edgar Pinkowski, gefordert, sieht der jüngst von Schwarz-Grün vorgestellte Gesetzesentwurf allerdings dafür keinen einzigen zusätzlichen Studienplatz an den drei medizischen Fakultäten im Land vor. Die Quote soll vielmehr abgezwackt werden von den 20 % der Medizinstudienplätze, die derzeit bereits ohne Numerus clausus vergeben werden – etwa an Studierende aus dem Ausland oder bei außergewöhnlichen Härten.

Von einer Landarztquote zu sprechen, wäre zu kurz gegriffen. Das Vorhaben zielt nicht alleine auf die Stärkung der Allgemeinmedizin ab. Es soll zusätzlich als Instrument für die wachsende Lücke bei der Versorgung mit Kinder- und Jugendärzten dienen sowie die Nachwuchsprobleme im öffentlichen Gesundheitsdienst lindern, die im Zuge der Corona-Pandemie nicht länger verschleiert werden konnten. Auch Bayern will jetzt auf diesem Weg die Attraktivität der Tätigkeit in Gesundheitsämtern erhöhen.

Findet der Entwurf der Koalition in Wiesbaden Zustimmung, werden vom Wintersemester 2022 an jährlich 78 der insgesamt 1.000 Studienplätze an jene vergeben, die sich dazu verpflichten, sich nach der Ausbildung für mindestens zehn Jahre in einer unterversorgten Region niederlassen. Kommen diese ihrer Verpflichtung nicht nach, drohen nicht näher benannte Sanktionen. 65 Plätze sind für die Allgemein- sowie Kinder- und Jugendmedizin reserviert, die restlichen 13 für den öffentlichen Gesundheitsdienst.

Die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber durch die Universitäten erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Die Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung ist sekundär. Als Hauptkriterien sind fachspezifische Eignung genannt, berufliche Erfahrung in einem Gesundheitsberuf oder ehrenamtliche Tätigkeiten. „Damit werden bei der Auswahl auch soziale und kommunikative Kompetenzen im Umgang mit Patientinnen und Patienten berücksichtigt, die für die ärztliche Tätigkeit eine besondere Bedeutung haben“, hieß es bei der Präsentation des Entwurfs durch die gesundheitspolitischen Sprecher Dr. med. Ralf-Norbert Bartelt (CDU) und Marcus Bocklet (Grüne) Anfang März in Wiesbaden.

Das Besondere an dem „hessischen Weg“ sei, dass die Quote nicht auf Landärzte begrenzt ist. Das unterscheide ihn von der im Dezember von der SPD eingebrachten Gesetzesinitiative, die Schwarz-Grün abgelehnt hatte. Neben der Erweiterung um die beiden Fachgruppen mache das „Kerncurriculum“ ihr Konzept besser als das der politischen Konkurrenz. Es beinhaltet Praktika in ländlich gelegenen Praxen, Begleitseminare an der Universität, Mentoring-Programme, finanzielle Unterstützung durch Stipendien und die Garantie eines nahtlosen Übergangs zwischen Aus- und Weiterbildung. Die Vermittlung von Wissen in den Bereichen Versorgungsforschung, primärärztliche Versorgung, Public und Global Health, Digitalisierung und Kommunikation gehört ebenfalls dazu. Die Ausbildung werde durch zusätzliche Module erweitert, von denen auch andere Studierende profitierten. „Das ist eine Verbesserung“, sagte Bartelt und betonte: „Das sind nicht Mediziner zweiter Klasse.“

Der Präsident der Landesärztekammer hält die Quote aus einem anderen Grund für ungeeignet. Sie verkenne schlichtweg die Realität. „Bei einer zwölf- bis 15-jährigen Aus- und Weiterbildungszeit ist es für Medizinstudierende und junge Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung schwierig bis unmöglich, Vorausplanungen für die spätere Berufslaufbahn zu treffen“, so Pinkowski.

Für die aktuellen Probleme komme die Quote ohnehin viel zu spät. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gelten (Stand 1. Oktober 2020) bereits sechs hausärztliche Planungsbereiche als „drohend unterversorgt“: Allendorf (Eder)/Battenberg, Borken, Hofgeismar, Haiger/Dillenburg, Neu-Isenburg/Dreieich/Langen und Sontra.

Arztgruppe

Versorgungsaufträge (1)

Kopfzahl

Freie Sitze (2) (Quotensitze)

Anästhesisten

234

297

0

Augenärzte

374,25

429

13

Chirurgen und Orthopäden

681,75

893

1

Dermatologen

228,25

270

9,5

Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin

30,5

35

11

Frauenärzte

725,75

853

4,5

Hals-Nasen-Ohrenärzte

279

320

5,5

Hausärzte

3838,45

4095

232,75

Humangenetiker

12,25

16

0

Internisten

607

777

0 (4)

Kinder- und Jugendpsychiater

58,2167

76

11,5

Kinderärzte

433

502

14

Laborärzte

72,875

89

0

Nervenärzte

336,5165

418

25 (5)

Neurochirurgen

66,75

94

0

Nuklearmediziner

61,75

77

2,5

Pathologen

63

78

0,5

Psychotherapeuten

2227,4667

3523

3 (40,5)

Radiologen

192

291

0

Strahlentherapeuten

44,5

61

0

Transfusionsmediziner

5,875

16

0

Urologen

198

213

2,5

1 Versorgungsaufträge nach Zählung der BPL-Richtlinien; ohne Übernahmepraxen (Stand: 01.03.2021)

2 Stand Landesausschuss 26.11.2020 unter Berücksichtigung der bereits vergebenen freien Sitze (Stand Zulassungsausschuss vom 16.02.2021). In Klammern sind die freien Quotensitze angegeben, die sich nur auf einzelne Fachrichtungen innerhalb der jeweiligen Arztgruppe beziehen, z .B. Rheumatologie innerhalb der Arztgruppe der Internisten.

Quelle: Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH)

Jutta Rippegather