Leserbriefe zu den beiden Artikeln zum Thema „Ärztlich assistierter Suizid“, Ausgabe 02/2021 von Dr. med. Susanne Johna und Prof. Dr. med. Dr. med. habil. Stephan Sahm

 

Prof. Dr. med. Joachim Pietz, Heidelberg, Mitglied der LÄKH:

Die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, den § 217 StGB außer Kraft zu setzen und eine Neuordnung zu verlangen, ist eine wirklich schwierige Problematik, der sich auch die deutschen Ärztinnen und Ärzte stellen müssen.

Ich selbst stamme aus einer Familie mit genetisch determinierter Alzheimer-Erkrankung und habe Krankheit und Tod meiner Mutter und anderer Familienmitglieder erlebt. Im Zweifelsfall würde ich mir vor dem Hintergrund der Erfahrungen in meiner Familie eine einfühlsame, seriöse, gesetzeskonforme Hilfestellung beim notfalls gewünschten Suizid erhoffen, und ich danke dem Bundesverfassungsgericht, Würde sowie Respekt vor Autonomie gefordert zu haben. Das war auch eine Aufforderung an Politik und Ärzteschaft.

Helge Hofmann, Arzt im Ruhestand, Offenbach:

Ein Punkt wird in der aktuellen Debatte völlig vergessen: Alle Menschen sind gleich. Oder doch nicht?

Da diskutiert eine Berufgruppe leidenschaftlich darüber, mit welchen guten moralischen Gründen dem Rest der Bevölkerung ein Privileg verweigert werden kann, welches sie selber besitzt.

Jeder Arzt verfügt über das Wissen für den schmerzfreien Selbsttod und hat legal unbegrenzt Zugang zu den dafür nötigen Mitteln. Der normale Bürger hat diese Möglichkeit nicht, sondern muss sich die notwendigen Mittel illegal beschaffen, wird also aus einer Notlage heraus straffällig. Eigentlich gehört die Frage, ob ein ärztlich assistierter Suizid zulässig ist, doch originär in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts, das sich ja wohl eindeutig positionierte. Und nicht in die nicht demokratisch legitimierten Hände einer Standesorganisation. Wobei sich die Bevölkerung in repräsentativen Umfragen, auch das sind Fakten, mit überwiegender Mehrheit für einen ärztlich assistierten Suizid im Falle einer schweren Erkrankung ausspricht.

Es ist also durchaus zu hinterfragen, inwieweit es moralisch vertretbar ist, dass eine Berufsgruppe über eine Regelung diskutiert, von deren Auswirkung sie selber „glücklicherweise“ nicht betroffen ist.

Es geht hier nicht darum, Kolleginnen und Kollegen zu diesen Hilfestellungen zu verpflichten. Es geht nur darum, dass die verfasste Ärzteschaft nicht etwas intern sanktioniert, was das höchste Gericht Deutschlands zulässt – und dass die verfasste Ärzteschaft die Grenzen ihrer Regelungsbefungnis klarer erkennt.