Prof. Dr. med. Ralf Michael Muellenbach, Dr. Ben Risch, Christoph Günther, Dr. Michael Albert, Matthias Klose & Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Kai Zacharowski

Zusammenfassung

Die Covid-19-Pandemie sorgt zwar auf der einen Seite für Ausnahmezustände in den deutschen Kliniken, erzeugt aber auf der anderen Seite einen hohen Innovationsdruck. In Hessen hat das vom Ministerium für Soziales und Integration etablierte zentrale Steuerungssystem der stationären Versorgung eine vergleichsweise gute Bewältigung der bisherigen Pandemie ermöglicht. Die Kommunikation und Vernetzung zwischen den hessischen Kliniken wird nun mit der neuen TeleCOVID Hessen App durch einen effizienten Einsatz von Telemedizin nochmals nachhaltig verbessert.

Organisationsstruktur stationäre Versorgung COVID-19 in Hessen

Während der Coronavirus-Pandemie konnte durch enge Vernetzung von insgesamt 79 Kliniken konstant eine qualitativ hochwertige normalstationäre und intensivmedizinische Versorgung von COVID-19-Patienten in Hessen sichergestellt werden. Die Koordination erfolgt zentral über den sogenannten Planungsstab „Stationäre Versorgung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten“ des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration in Zusammenarbeit mit den koordinierenden Krankenhäusern der 6 hessischen Versorgungsgebiete. Die koordinierenden Krankenhäuser sind die Bindeglieder zwischen dem Planungsstab und den kooperierenden Krankenhäusern im jeweiligen Versorgungsgebiet und vernetzen sowohl die Krankenhäuser als auch die anderen wichtigen Akteure wie Gesundheitsämter, Rettungsdienst, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Katastrophenschutz und die Ämter für Versorgung und Soziales. In enger Abstimmung entwickeln sie ein regionales Versorgungskonzept und setzen dieses im jeweiligen Versorgungsgebiet um. Neben der Ermittlung der stationären Ressourcen innerhalb des Versorgungsgebietes findet auch ein enger kollegialer Austausch zwischen den Kliniken in Bezug auf Therapiefragestellungen zu den COVID-19-Patienten statt. Kommt es bspw. aufgrund lokal erhöhter Inzidenzen oder Ausbrüchen zu Engpässen innerhalb eines Versorgungsgebietes, besteht zudem die Möglichkeit, die Patientenströme über eine enge Vernetzung zwischen den koordinierenden Kliniken in andere Versorgungsgebiete umzuleiten. So wird ein wechselseitiger Erfahrungsaustausch in organisatorischen und medizinisch-fachlichen Fragen, aber auch eine adäquate Ressourcenallokation zur Sicherstellung der normal- aber vor allem der intensivstationären Behandlung von COVID-19-Patientinnen und -Patienten innerhalb des gesamten Landes Hessen gewährleistet.

Grundlage für die TeleCOVID Hessen App

In Hessen ist das vom Ministerium für Soziales und Integration etablierte zentrale Steuerungssystem der stationären Versorgung mit Vernetzung von mehr als 79 Krankenhäusern ein großer Pluspunkt. Die Versorgung der Patientinnen und Patienten mit COVID-19 ist in Hessen auf relativ viele Krankenhäuser abgestützt. Dies ist gut für die Patientinnen und Patienten, da sie ortsnah versorgt werden können, hilft aber auch den Krankenhäusern, da sich die Last auf viele Schultern verteilt. Infolgedessen wurden im bundesweiten Vergleich auch eine relativ hohe Zahl von Krankenhäusern als ausgleichsberechtigt im Sinne des § 21 Abs. 1a KHG benannt. Damit ein so komplexes System aus koordinierenden und kooperierenden Krankenhäusern funktioniert, kommt der Kommunikation zwischen den Beteiligten eine zentrale Bedeutung zu. Der Informationsaustausch zwischen den Krankenhäusern ist in Hessen und respektive auch in Deutschland jedoch leider weiterhin von Medienbrüchen geprägt, so dass viele komplexe Informationen wie bspw. Daten aus Medizinprodukten wie Dialyse-/Beatmungsmaschinen oder Daten aus Laborsystemen entweder per Fax oder mündlich per Telefonanruf übermittelt werden. Hierbei können wichtige Informationen verloren gehen und in ihrer Komplexität nicht ausreichend dargestellt werden. Außerdem ist diese Art der Kommunikation sehr zeitaufwendig. Durch den gezielten Einsatz von Technologien aus der Telematik sollen die aktuellen intensivmedizinischen Versorgungsstrukturen während der COVID-19 in Hessen weiter ausgebaut und verbessert werden. Hierzu wurde durch das Awesome Technologies Innovationslabor unter Beteiligung der Uniklinik Frankfurt sowie des Klinikums Kassel eine App entwickelt, die gezielt die gemeinsame Behandlung von schwerkranken COVID-19-Patienten verbessert. Mit der Allgemeinverfügung vom 16.02.2021 wurde die App TeleCOVID Hessen für die Krankenhäuser verpflichtend eingeführt. Zugleich übernimmt das Land Hessen alle im Jahr 2021 anfallenden Kosten für Hardware, Lizenzen, Unterstützung sowie Wartung und zahlt den Krankenhäusern darüber hinaus eine pauschale Aufwandsentschädigung, um kleinere Aufwendungen vor Ort, wie Mobilfunkkosten oder den Aufbau eines WLAN-Netzes, Datenschutzkosten und den Personaleinsatz für die Beratung abzugelten.

Die TeleCOVID Hessen App ist eine gezielte Weiterentwicklung des im Rahmen der E-Health-Initiative des Landes Hessen geförderten Projektes „Tele-Intensivmedizin Hessen“. Ziel dieses Projektes war es, die Kommunikation und den fachlichen Austausch in Bezug auf schwerkranke Intensivpatienten zwischen Krankenhäusern innerhalb Hessens zu verbessern und somit die intensivmedizinischen Versorgungstrukturen insbesondere in den ländlichen Regionen Hessens zu stärken. Die genannten Apps ermöglichen unter Berücksichtigung des Datenschutzes die Übermittlung wichtiger Laborbefunde, Röntgenbilder, Beatmungs- oder Patientenkurven. In dringenden Fällen kann so ein rascher, vollständiger und problemloser Datenaustausch erfolgen und eine schnelle Entscheidung über die möglichen Behandlungsoptionen vor Ort getroffen werden. Neben den positiven Effekten auf die intensivmedizinische Versorgungsqualität kann dadurch auch die Festlegung der Zielklinik im Sinne einer Ressourcenallokation während einer Pandemie verbessert werden. Dies ist auch unter Berücksichtigung der vielfach knappen intensivmedizinischen Ressourcen sowie unter ökonomischen Gesichtspunkten von Vorteil. In schwierigen Fällen kann auch mobil über das iPad eine Visite am Patientenbett mittels Videotelefonie erfolgen. Die Lösung ermöglicht somit im Gegensatz zu den bisherigen Kommunikationsmitteln Telefon und E-Mail einen verbesserten fachlichen Austausch am Krankenbett. Gegenüber der ebenfalls verbreiteten Kommunikation über private Mobiltelefone bietet sie den Vorteil, zum einen datenschutzkonform und zum anderen nicht von der Zufälligkeit der Verfügbarkeit persönlicher Ansprechpartner abhängig zu sein. Diese Informationen können auch bei notwendigen Verlegungen innerhalb und über die Versorgungsgebiete VG des Landes Hessen hinaus genutzt werden. Koordinierende Intensivmediziner können so schnell einen Eindruck über den von der Verlegung betroffenen Patienten erlangen und seine korrekte Versorgung bzw. die Verlegung in die richtige Zielklinik veranlassen. Sowohl Datenübertragung als auch Videotelefonie genügen den höchsten Datenschutzstandards und wurden im Vorfeld mit dem HMSI sowie dem Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit engmaschig abgestimmt. Die Server werden von der EKOM KGRZ Hessen gehostet, die aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem IVENA-Projekt und der BSI-Zertifizierung eine maximale Sicherheit in Bezug auf die Datensicherung bietet.

Mit Hilfe der App können die Mediziner Informationen über die Patienten in voller Übereinstimmung mit dem Datenschutzrecht speichern und Anfragen an Kollegen in einer anderen Klinik schicken. Die Anfragen können mit hochqualitativen Bildern hinterlegt werden, wodurch eine erste Einschätzung durch Fachpersonal schnell und unkompliziert möglich wird.

Verbesserung für alle Beteiligten

„Von dieser Verbesserung profitieren alle: Für die Patienten in den kooperierenden Krankenhäusern ist es gut, weil ihr Krankenhaus bei Notfällen auf die Unterstützung erfahrener Intensivmediziner/-innen in den großen beratenden Krankenhäusern zurückgreifen kann. Dies sorgt dafür, dass die Patienten länger heimatnah versorgt werden können, unnötige Verlegungen vermieden und notwendige Verlegungen möglichst frühzeitig durchgeführt werden.

Vorteil der TeleCOVID Hessen App

Der Vorteil der App ist, dass diese bewusst nicht auf die Krankenhausinformationssysteme zugreift. Somit ist sichergestellt, dass sie einfach und voraussetzungsfrei in jedem Krankenhaus funktioniert. Sie ermöglich die Übertragung von Bilddateien und Videotelefonie in einer verschlüsselten, geschützten Umgebung und bietet somit einen Raum zur schnellen kollegialen Abstimmung über verschiedene Häuser hinweg. TeleCOVID leistet einen wertvollen Beitrag dazu, eine Überlastung der stationären Versorgung zu verhindern. Indem wir die Intensivstationen der Krankenhäuser vernetzen, können wir mehr Patientinnen und Patienten an der richtigen Stelle behandeln. Das nutzt Patienten, Krankenhäusern und allen Einwohnern Hessens.

Unterstützung des Landes

Das Land Hessen unterstützt das Projekt TeleCOVID mit Hardware für Krankenhäuser und den entsprechenden notwendigen Lizenzen, bietet entsprechende Informationsveranstaltungen an und zahlt den Krankenhäusern zeitlich begrenzt eine Aufwandsentschädigung für vor Ort anfallende Kosten und regelt durch einen entsprechenden Erlass die flächendeckende Nutzung.

Prof. Dr. med. Ralf Michael Muellenbach MHBA, Zentrum Notfall- und Intensivmedizin, Direktor der Klinik für Anäs­thesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, ECMO-­Zentrum Klinikum Kassel, Kassel Center for Cardiac Arrest (KCCA), Gesundheit Nordhessen – Klinikum Kassel, Klinikum Kassel GmbH, Mönchebergstr. 41–43 | 34125 Kassel

Dr. Ben Michael Risch, Leiter des Referates V 6A Krankenhaus­planung, Rettungsdienst und Digitali­sierung im Gesundheitswesen Hessisches Ministerium für Soziales und Integration, Sonnenberger Straße 2/2a, 65193 Wiesbaden

Christoph Günther & Dr. Michael Albert, Awesome Technologies Innovationslabor GmbH, Leightonstraße 3, 97074 Würzburg

Matthias Klose, ekom21 – KGRZ Hessen (Körperschaft des öffentlichen Rechts), Carlo-Mierendorff-Straße 11, 35398 Gießen

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. phil. Kai Zacharowski, ML FRCA, Präsident der European Society of Anaesthesiology & Intensive Care, Direktor der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe Universität, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main

Korrespondenz an: Prof. Müllenbach und Prof. Zacharowski