Nach der Bundestagswahl wird hoffentlich nicht mehr die Coronapandemie als oberstes Thema auf der Agenda des Bundesgesundheitsministeriums stehen, sondern stattdessen die Lehren, die wir aus dieser Pandemie ziehen müssen. Und das werden einige sein.

Es wird dann aber auch höchste Zeit, endlich die mehr als überfällige Novellierung der GOÄ umzusetzen. Dabei geht es nicht nur um die dringend gebotene Anhebung der Gebühren, sondern auch um die Umsetzung der erfolgreich erarbeiteten inhaltlichen Überarbeitung, damit das Elend mit der Nutzung mehr oder eher weniger passender Analogziffern endlich ein Ende hat. Die neue GOÄ bildet die heutige Medizin ab.

Zuvor sehen wir uns jedoch einmal mehr den Forderungen nach einer Bürgerversicherung gegenüber. Hören Sie dabei auch den täglichen Gruß des Murmeltiers? Der Wahlkampf für die im Herbst anstehenden Bundestagswahlen rückt unaufhaltsam näher und damit auch die offenbar unvermeidbaren Rufe nach einer einheitlichen Bürgerversicherung, wie wir sie schon von den vergangenen Wahlkämpfen kennen.

Sowohl SPD als auch Bündnis 90/Die Grünen werben mit der Einführung einer Bürgerversicherung, in die dann alle Bürger, also auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete einkommensabhängige Beiträge einzahlen sollen. In der Theorie hört sich das zunächst gut an. Aber wie sieht die Praxis aus?

2020 ging die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrer Studie „Waiting Times for Health Services: Next in Line” der Frage nach, wie lange Patienten auf einen Arzttermin warten müssen. Dazu griff die OECD auf die „European Union Statistics on Income and Living Conditions (EU-SILC)” des Jahres 2018 zurück.

75 % der in Deutschland Befragten erhielten innerhalb eines Monats einen Termin beim Facharzt. Damit hat Deutschland zusammen mit der Schweiz und den Niederlanden die kürzesten Wartezeiten. In Ländern wie Schweden, Norwegen oder Kanada gaben hingegen mehr als 50 % der Befragten an, einen Monat oder länger auf einen Termin zu warten. Nur eine geringe Anzahl an Patienten in Deutschland musste mehr als zwei Monate auf einen Facharzttermin.

Im hausärztlichen Bereich sind die Ergebnisse wie erwartet noch besser. Nur 13 % hatten Schwierigkeiten, noch am gleichen Tag mit dem Hausarzt in Kontakt zu treten. Hier wurde Deutschland mit 12 % nur von der Schweiz leicht überflügelt.

Und wie sieht es mit der Wartezeit von GKV-Patienten auf der einen und PKV-Patienten auf der anderen Seite aus? Kommen Letztere nicht doch viel schneller zu einem Termin? Nein, auch das lässt sich nicht belegen. In der jährlich von der KBV beauftragten Versichertenbefragung waren die Unterschiede 2020 wie schon in den Jahren zuvor gering. Der Anteil der Versicherten, die ohne Wartezeit einen Termin bekommen haben, ist bei den PKV-Versicherten nahezu identisch mit dem der GKV-Versicherten. Unterschiede zeigen sich bei der Wartezeit auf einen Termin vielmehr nach der Art der Praxis. Bei der Konsultation eines Hausarztes wartet die Mehrheit aller Befragten (53 %) maximal drei Tage, während bei den Fachärzten zwei Drittel (66 %) länger als drei Tage warten, um einen Termin zu bekommen.

In den Niederlanden, wo die duale Krankenversicherung 2006 abgeschafft wurde, haben übrigens rund 95 % der Einwohner mittlerweile eine private Zusatzversicherung abgeschlossen. Kein Wunder, denn schon für die freie Arztwahl wird eine Zusatzversicherung benötigt.

Deutschland liegt mit seinem System der dualen Krankenversicherung im internationalen Versorgungsvergleich an der Spitze. Die Wartezeiten sind gering, der Zugang zur Versorgung ist gewährleistet und die Pro-Kopf-Ausgaben liegen an elfter Stelle unter den OECD-Staaten. Die Aufrechterhaltung dieses Leistungsniveaus kann nur mit einer angemessenen Vergütung dieser Leistung und der Wertschätzung ihrer Erbringer gewährleistet werden. Damit meine ich nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern explizit auch die Pflegeberufe, die Medizinischen Fachangestellten und alle anderen Heilberufe. Sollte eine Bürgerversicherung Wahrheit werden, ist kaum anzunehmen, dass die dort vorgesehenen Vergütungen den Ausgleich der fehlenden Privatliquidation bieten werden.

Im Übrigen sorgt gerade der Wettbewerb unterschiedlicher Versicherungssysteme für unser im internationalen Vergleich hervorragendes Gesundheitssystem. Politik und Gesellschaft sollten bestrebt sein, dieses System zu verbessern und nicht es abzuschaffen.

Wie gut unser Gesundheitssystem funktioniert, hat ja gerade die Coronapandemie gezeigt, auch wenn es natürlich zu behebende Schwachstellen wie z. B. das gescheiterte DRG-System gibt.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident