Gemäß § 10 Abs. 5 des Hessischen Friedhofs- und Bestattungsgesetzes (FBG) sind auf Verlangen aller niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zur Vornahme der Leichenschau verpflichtet. Zum 1. Januar 2020 sind die neuen Gebührenordnungspositionen zur Abrechnung der Leichenschau in Kraft getreten. Mit der Neuregelung sind formale Anforderungen verbunden, die zuvor nicht zu berücksichtigen waren. Nachfolgend soll ein Überblick über die Abrechnungsvoraussetzungen im Einzelnen geboten werden:

1. Die neuen Ziffern 100 bis 102 GOÄ

Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sind bei der Abrechnung der Leichenschau die Ziffern 101 GOÄ (eingehende Leichenschau) und 102 GOÄ (Zuschlag bei einer Leiche mit einer dem Arzt unbekannten Identität und/oder besonderen Todesumständen) maßgeblich.

Die Ziffer 100 GOÄ (vorläufige Todesbescheinigung) käme nur für im Rettungsdienst eingesetzte Notärzte in Betracht. Diese sind während des Einsatzes wegen des Vorrangs der Patientenversorgung nicht zur Vornahme der Leichenschau verpflichtet. Gemäß § 10 Abs. 7 FBG haben sie den Tod festzustellen und eine vorläufige Todesbescheinigung auszustellen. Das Hessische Rettungsdienstgesetz schließt jedoch in § 10 Abs. 1 Satz 4 die Abrechnung privatärztlicher Leistungen – und damit auch die Abrechnung der vorläufigen Todesbescheinigung – im Rettungsdienst aus.

Eine Besonderheit der Neuregelung liegt darin, dass die Gebührenordnungspositionen nur noch mit dem einfachen Gebührensatz in Rechnung gestellt werden können; eine Steigerung nach Maßgabe des § 5 Abs. 2 GOÄ kommt nicht mehr in Betracht, vgl. Allgemeine Bestimmung zu Abschnitt B. VII (Todesfeststellung) Nr. 5.

2. Ziffer 101 GOÄ

Mit der Ziffer 101 GOÄ werden die eingehende Untersuchung eines Toten und Ausstellung einer Todesbescheinigung, einschließlich Angaben zu Todesart und Todesursache (obligatorischer Inhalt), gegebenenfalls einschließlich Aktenstudium und Einholung von Auskünften bei Angehörigen, vorbehandelnden Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Pflegediensten (fakultativer Inhalt) abgerechnet. Dauern diese Leistungen mindestens 40 Minuten, kann die Ziffer 101 GOÄ mit dem einfachen Faktor in Ansatz gebracht werden. Dauert die Leichenschau weniger als 40 Minuten, mindestens aber 20 Minuten (etwa bei einer Verletzung, die mit dem Leben nicht zu vereinbaren ist, wenn auch die Todesart nach den vorliegenden Umständen eindeutig ersichtlich ist), können 60 % der Gebühr berechnet werden.

Grundlage der Mindestdauer ist der für das leitliniengerechte Vorgehen bei der Leichenschau (z. B. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin „Regeln zur Durchführung der ärztlichen Leichenschau“, AWMF-Register Nr. 054/002, Stand: 10/2017) fachlich notwendige durchschnittliche Zeitaufwand von rund 60 Minuten.

Die Mindestdauer bezieht sich auf alle inhaltlich mit der Leichenschau zusammenhängenden obligatorischen und fakultativen ärztlichen Leistungen vor Ort – ohne das Aufsuchen. Gemäß der Allgemeinen Bestimmung zu Abschnitt B. VII (Todesfeststellung) können neben den Ziffern 101 und 102 GOÄ Wegegeld nach § 8 GOÄ oder Reiseentschädigung nach § 9 GOÄ sowie die Zuschläge nach den Buchstaben F bis H (Leistungen zur Unzeit) berechnet werden, nicht jedoch die Ziffern 48–52 GOÄ (Besuchsleistungen), da eine Leiche kein Patient ist.

3. Ziffer 102 GOÄ

Der Zuschlag nach Ziffer 102 GOÄ setzt voraus, dass 1. die Leiche der Ärztin/dem Arzt unbekannt ist und/oder besondere Todesumstände vorliegen und 2. die Leichenschau aufgrund dessen mit einem zusätzlichen Zeitaufwand von 10 Minuten (neben den mindestens 40 bzw. mindestens 20 Minuten für die Leistung nach der Ziffer 101 GOÄ) verbunden ist. Allein der Umstand, dass die Leichenschau bei einem dem Arzt/der Ärztin nicht bekannten Toten erfolgt, berechtigt also nicht zur Berechnung des Zuschlages. Diese Tatsache kann jedoch dazu führen, dass sich ein erhöhter Zeitaufwand durch die Notwendigkeit ergibt, Angaben zur Identität und zur Krankheitsvorgeschichte (z. B. bei dem/der vormals behandelnden Arzt/Ärztin) einzuholen und auszuwerten. Sofern dieser Aufwand im Einzelfall mindestens 10 Minuten zusätzlich zu dem Zeitaufwand für die eingehende Leichenschau beträgt, ist der Zuschlag nach Ziffer 102 GOÄ berechnungsfähig.

Die „besonderen Todesumstände“ sind nicht abschließend definiert, sondern vom Einzelfall abhängig. Es handelt sich hierbei bspw. um den Verdacht auf einen nicht natürlichen Tod, einen länger zurückliegenden Tod oder besondere Auffindesituationen z. B. mit erschwerter Zugänglichkeit des Toten. Mit der Ziffer 102 GOÄ können eventuell auch erhöhte Hygienemaßnahmen abgerechnet werden, wenn die besonderen Todesumstände darin bestehen, dass es sich um einen an oder mit Covid-19 Verstorbenen handelt (vgl. auch die „Empfehlungen zum Umgang mit SARS-CoV-2-infizierten Verstorbenen“ des Robert Koch-Instituts, Stand 24.04.2020).

4. Rechnungsstellung, § 12 GOÄ

Da mit dem Tod die Leistungspflicht der Krankenversicherungen endet, sind die Kosten der Leichenschau in der Regel den Erben in Rechnung zu stellen. Die Formalien der Rechnungsstellung ergeben sich aus § 12 GOÄ. Werden diese nicht eingehalten, wird die Rechnung nicht fällig (§ 12 Abs. 1 GOÄ: „Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung [d. h. der GOÄ, d. Unterz.] entsprechende Rechnung erteilt worden ist.“).

In der Rechnung anzugeben ist insbesondere das Datum der Erbringung der Leistung, bei Gebühren die Ziffer und die Bezeichnung der Leistung einschließlich einer in der Leistungsbeschreibung gegebenenfalls genannten Mindestdauer nebst dem jeweiligen Betrag und dem Steigerungssatz. Bei Ansatz der Ziffern 101 und 102 GOÄ ist somit u. a. auch der einfache Steigerungssatz in der Rechnung aufzuführen, bei der Ziffer 102 GOÄ die deren Ansatz im Einzelfall begründenden Umstände.

Die Leistungslegenden der neuen Ziffern 101 und 102 GOÄ sind sehr umfangreich. Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 4 GOÄ besteht die Möglichkeit, der Rechnung eine Zusammenstellung beizufügen, welcher die Bezeichnung für die abgerechnete Ziffer entnommen werden kann. Statt der vollständigen Leistungslegende kann auch eine Kurzbezeichnung angegeben werden, wenn diese den Leistungsumfang für den Zahlungspflichtigen verständlich beschreibt.

5. Fazit

Die Neuregelung der Abrechnung der Leichenschau hat zwar zu der längst überfälligen Erhöhung der Vergütung geführt – als Nebeneffekt ist hiermit jedoch auch die Erhöhung des die Ärztin/den Arzt treffenden Dokumentationsaufwands verbunden.

Die nach der Neuregelung bei der LÄKH eingegangenen Beschwerden bezogen sich schwerpunktmäßig zum einen auf die Höhe des in Rechnung gestellten Betrages, zum anderen auf die Dauer der Leichenschau, hinsichtlich derer es zu divergierenden Angaben von Ärztin/Arzt und Angehörigen kam.

Die Mindestzeiten sind Bestandteil der Leistungslegenden der Ziffern 101 und 102 GOÄ. Aus diesem Grund ist – auch zur eigenen Absicherung – anzuraten, die Dauer der Tätigkeit vor Ort zu dokumentieren, unter Umständen durch Notieren des Zeitpunkts der Ankunft und des Verlassens des Auffindeortes und des zusätzlichen Zeitaufwands bei Ansatz der Ziffer 102 GOÄ.

Es ist verständlich, dass die Leichenschau eine herausfordernde und – auch aufgrund der möglichen Konsequenzen für Angehörige und Allgemeinheit – verantwortungsvolle Tätigkeit darstellt, so dass die Dokumentation vor diesem Hintergrund als störender zusätzlicher Aufwand empfunden wird. Dennoch handelt es sich rein formell gesehen um eine ärztliche Leistung wie jede andere, so dass auch hier die Dokumentationspflicht Bestand hat.

Sollten im Einzelfall Unklarheiten im Hinblick auf die Abrechnungsmodalitäten bestehen, steht die Rechtsabteilung der LÄKH zur Beratung zur Verfügung.

Dr. jur. Kirsten Theuner, Rechtsreferentin, Syndikusrechtsanwältin, Landesärztekammer Hessen

„Wie ein Handwerker“ – Kommentar

Aus praktischer Sicht ist zunächst festzuhalten, dass nach genauer Lesart des Gesetzestextes „jeder niedergelassene Arzt zur Vornahme der Leichenschau verpflichtet“ ist, also neben Augen-, Frauen-, Haut-, HNO- und Laborärzten auch Kardiologen, Pathologen, Pädiater und hausärztlich tätige Allgemeinärzte sowie Internisten.

Für die Leistungsabrechnung im Sinne der GOÄ scheint es nach wie vor nur von marginaler Bedeutung zu sein, ob die Leichenschau in der Klinik1, in der Arztpraxis, in einem Medizinischen Versorgungszentrum, im Pflegeheim oder in der privaten Häuslichkeit des/der Verstorbenen stattfindet. Es gilt als selbstverständlich, dass „jeder niedergelassene Arzt“ über einen fahrbereiten Pkw verfügt – die beim Aufsuchen der Leiche anfallenden Vorhalte- und Betriebskosten für das Fahrzeug werden durch das Wegegeld anteilsmäßig abgegolten. Das eigentliche Aufsuchen der Verstorbenen, der Hausbesuch selbst, kann nach wie vor nicht abgerechnet werden, da eine Leiche kein Patient ist...

Eine gänzlich neue Dimension zur „Kontrolle“ der ordnungsgemäßen Leistungserbringung und Abrechnung tut sich auf durch die neu eingeführten Zeitvorgaben (!). Über die Sinnhaftigkeit dieser Zeitvorgaben wurde noch vor deren Einführung kritisch diskutiert, das Ergebnis ist bekannt. Während früher häufig der Ansatz der Hausbesuchsziffer und die Pauschalierung der Abrechnung ohne Angabe der Einzelpositionen von Angehörigen und bestimmten Berufsgruppen beklagt wurden, scheinen jetzt die nach GOP 101 GOÄ „vor Ort“ zu verbringenden „40 Minuten, aber mindestens 20 Minuten“ als obligate Zeitvorgabe in den Fokus zu geraten, interessanterweise nur im ambulanten Bereich. Ob und wie die Klinikärztin/der Klinikarzt1 40 Minuten mit der Leichenschau verbringt, wird offenbar nicht hinterfragt.

Um Rechtsstreitigkeiten in dieser Richtung künftig gar nicht aufkommen zu lassen, hielte ich es für sinnvoll, (eine andere Lösung sehe ich im Moment leider nicht), dass Ärztinnen und Ärzte, die eine Leichenschau durchführen, die Ankunft am Ort – Betreten des Grundstücks, Betätigung der Klingeltaste oder Ähnliches – dokumentieren und beim Verlassen der Stätte die Zeitangaben durch die Angehörigen oder durch die Polizei gegenzeichnen lassen. Gegebenenfalls mittels eines noch zu entwerfenden Formulares, quasi wie ein Handwerker.

Michael Andor, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen, Allgemeinmediziner, Groß-Gerau

Die Beiträge in der Rubrik „Ansichten & Einsichten“ geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.

1 Die Leichenschau im Krankenhaus wird nach DKG-NT-Tarif abgerechnet, dieser übernimmt den Wortlaut der GOÄ.