Vermutlich denken Sie jetzt: Was hat sich der Pinkowski denn bei dieser Überschrift gedacht? Will er auch endlich einmal eine dramatische Schlagzeile erhaschen? Nein, so ist es natürlich nicht, auch wenn eine gute Schlagzeile zur rechten Zeit an der rechten Stelle durchaus hilfreich sein kann. Nein, mir geht es ganz konkret um die Inhalte der vorliegenden Ausgabe des Hessischen Ärzteblatts. Überspitzt formuliert kämpfen die einen für den Tod und die anderen für das Leben. Damit meine ich einerseits den sogenannten ärztlich assistierten Suizid (vgl. S. 90 & 91–94) und die Impfungen gegen Corona andererseits. Einmal mehr möchte ich betonen, dass es keinen Anspruch auf ärztliche Hilfe zur Selbsttötung geben darf. Kein Arzt und keine Ärztin darf zu einer derartigen Leistung gezwungen werden. Auch wenn es oft anders zu lesen ist, befürwortet nur eine ärztliche Minderheit einen ärztlich assistierten Suizid, geschweige denn eine ärztliche Pflicht, diese Hilfe leisten zu müssen.

Vor wenigen Wochen begannen die Impfungen gegen Corona. Diesen Kampf für das Leben werden wir hoffentlich schneller als erwartet gewinnen. Bitte lassen Sie sich, wenn Sie an der Reihe sind, impfen.

Viele hessische Ärztinnen und Ärzten haben im Dezember meinen Brief mit der Bitte um Unterstützung bei der Arbeit in den Coronaimpfzentren erhalten. Die Resonanz war überwältigend. Bei Redaktionsschluss hatten sich nicht nur 3.080 Ärztinnen und Ärzte gemeldet, sondern auch 730 Medizinische Fachangestellte, 250 Medizinstudierende und 300 Pflegekräfte, Angehörige weiterer Gesundheitsberufe und Verwaltungskräfte.

Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen, zumal viele Hilfswillige altersbedingt selbst zu den Risikogruppen zählen. Alle Hilfswilligen haben einen Bogen mit Angaben zum gewünschten Einsatzort und den möglichen Einsatzzeiten ausgefüllt. Diese Antworten mussten und müssen dank stetig weiter eingehender Meldungen erfasst und den jeweils zuständigen Gesundheitsämtern zur Verfügung gestellt werden. Um hier keine Verzögerungen entstehen zu lassen, haben sich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesärztekammer Hessen freiwillig gemeldet, um diese Daten auch während der Betriebsruhe zwischen den Jahren weiter zu erfassen. Als Dienststellenleiter (ja, glauben Sie mir, so heißt der Präsident in seiner Funktion als Vorgesetzter) bin ich außerordentlich stolz auf dieses Team und bedanke mich im Namen der Kammermitglieder ganz herzlich.

Doch wie soll es anders sein, wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Organisation der Impfung lässt durchaus Verbesserungspotenzial erkennen. Die vor Ort verantwortlichen bzw. beauftragten Organisationen – darunter befinden sich auch Eventagenturen – behelligen Hilfswillige mit zum Teil für mich einfach nicht nachvollziehbaren Fragen (z. B. auf einem Fragebogen für Ärzte: Sind Sie Schüler, Student, Praktikant?) und Anforderungen (Führungszeugnis) auf der einen Seite und auf der anderen Seite mit Honorarangeboten, die nicht der uns vom Land Hessen genannten Höhe entsprechen. Angeboten werden auch Teilzeitverträge mit sechsmonatiger Probezeit und der Verpflichtung, die Arbeitszeit einseitig auf Anordnung hin um bis zu 25 % zu erhöhen. Eine pragmatische Vorgehensweise wären landesweit einheitliche, schlichte Honorarverträge mit einer Abrechnung nach geleisteten Einsatzstunden. Mehr will ich an dieser Stelle gar nicht schildern und verweise auf die Seiten 98f. & 100f. in dieser Ausgabe.

Aus Sicht der betroffenen Bürger wirkt das auch alles – na ja, sagen wir einmal – improvisiert. Da erhielten beispielsweise die Angehörigen dementer Pflegeheimbewohner am 18.12.2020 Impfeinwilligungsbögen mit der Frage nach der Körpertemperatur des Bewohners – und das für eine Impfung, die im besten Fall am 27.12.2020 erfolgen konnte.

Das Anmeldeverfahren für über 80-Jährige war lange unklar, der Start der Impfzentren war es bei Redaktionsschluss noch immer. Selbst offizielle Pressesprecher einzelner Kreise kamen hier ins Schleudern und nannten falsche Termine. Sicher kennen Sie selbst solche Beispiele.

Aktuell befinden wir uns in einem verschärften Lockdown, nachdem die im Dezember verhängten Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg gezeigt haben. Ich hoffe sehr, dass die Maßnahmen jetzt die benötigte Wirkung hervorrufen, denn andernfalls werden sich bei der Bevölkerung – ganz abgesehen von persönlichen, den sozialen und den wirtschaftlichen Nebenwirkungen – immer deutlicher Ermüdungserscheinungen breit machen. Eine Schraube, die überdreht wird, verliert den Halt. Nach fest kommt ab. Das wissen nicht nur Feinmechaniker.

Mit den Kosten für die gut gemeinte Masken-Verteilaktion an über 60-Jährige im Dezember und das Gutscheinverfahren im Januar hätte man vermutlich bei einem Massenankauf alle Einwohner mit einer Grundausstattung versorgen können und das schon viel früher. So viele gute Seiten der Föderalismus auch hat, so findet er innerhalb eines Bundeslands doch schnell seine Grenzen. Jedes Gesundheitsamt, jede Gebietskörperschaft muss eigene Beschlüsse fassen. Besser wäre eine gute Abstimmung auf Landesebene mit Vorgaben, die dann auch im echten Leben umsetzbar sind. Am ärztlichen Rat soll es dafür nicht mangeln.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident