Virtuelle Kunstreise nach Florenz

Eine Zeichnung, in die der Blick auch perspektivisch versinkt: Düster ragen riesige Baumstämme vor wirr durcheinander gewürfelten Felsen in die Höhe. Wie knotige Finger umklammern Wurzeln einen Felsbrocken. Vor dem schwarz-weiß gehaltenen Bildhintergrund sticht eine V-förmig angeordnete, mit roter Feder zu Papier gebrachte Figurengruppe heraus. Von den Bäumen bedrohlich überragt, reden und gestikulieren Menschen im „dunklen Dschungel“ des Waldes, an dessen Rand Raubtiere lauern:

„Es war in unseres Lebensweges Mitte,

Als ich mich fand in einem dunklen Walde;

Denn abgeirrt war ich vom rechten Wege,

Wohl fällt mir schwer, zu schildern diesen Wald,

Der wildverwachsen war und voller Grauen“ — so beginnt der Erste Gesang der Hölle in Dante Alighieris Göttlicher Komödie.

Italien feiert Dante

Was ist der Sinn des Lebens? Wer will der Mensch sein, wenn er das Dickicht der Sünde in seinem Inneren überwunden hat? Die Göttliche Komödie ist als eine große Vision gedacht, als Erlebnis des Dichters, der sich in der Lebensmitte durch einen wilden, grauenvollen Wald irren sieht. Der italienische Dichter und Philosoph Dante Alighieri, 1265 in Florenz geboren und 1321 in Ravenna gestorben, stellte die eigene Person als Liebender und Leidender, als Irrender und Lernender in den Mittelpunkt seiner Werke. Die in Hölle, Fegefeuer und Paradies aufgeteilte, eine Pilgerreise schildernde Divina Commedia (Göttliche Komödie), mit der Dante die italienische Sprache als Schriftsprache begründet hatte, gilt als bedeutendste Dichtung der italienischen Literatur.

Italien feiert 2021 ein großes Dante-Jahr. Anlässlich des 700. Todestages des gebürtigen Florentiners präsentiert die Uffizien-Galerie in Florenz 88 selten gezeigte Zeichnungen von Federico Zuccari online.

Zuccari (1539–1609), Maler und Kunsttheoretiker, schuf die Illustrationen zur Göttlichen Komödie während eines Aufenthaltes in Spanien. 1738 wurden sie in die Sammlung der Uffizien aufgenommenen. Seit dem 1. Januar ist die virtuelle Ausstellung kostenlos für jedermann zugänglich: www.uffizi.it

Betrachter können sich durch die Darstellungen der Höllenkreise zu dem Versepos klicken. Dazu gibt es Erläuterungen in Italienisch, englische Texte sollen folgen.

Im Höllenfeuer schmoren

Mit roter und schwarzer Feder zu Papier gebracht, ziehen die virtuosen Zeichnungen in ihren Bann. In Begleitung von Vergil, der Personifikation irdischer Weisheit, gelangt Dante zur Hölle. Kaum haben beide deren Vorraum durchschritten, treffen sie im dritten Gesang auf den ersten der drei Höllenflüsse, Acheron, den sündige Seelen auf dem Weg zu ihrem jeweiligen Höllenkreis überqueren müssen. Das gewaltige Ruder zu einem fürchterlichen Schlag ausholend, treibt der Fährmann, ein Dämon mit Hörnern auf dem Kopf, die nackten Sünder aus dem Schiff. Links im Bild streckt schon ein Höllenfeuer, in dessen Mitte verlorene Seelen schmoren, seine brennenden Zungen nach ihnen aus. Im zweiten Kreis der Hölle werden die Sünder aus Liebesleidenschaft von furchtbaren Orkanen durch die Ewigkeit gepeitscht. Anschaulich bringt Zuccari die Szene mit dem flügelbewehrten Dämon Minos zu Papier, der böse grinsend über den verzweifelten Seelen zu Gericht sitzt. Wie ursprünglich in einem Buchband, stehen die Abbildungen dem entsprechenden Vers Dantes in der Online-Ausstellung gegenüber, die zu einer virtuellen Kunstreise nach Florenz einlädt.

Das hr-Sinfonieorchester live im Internet

Konzertsaal oder Internet? Wie sich die Lage im Februar darstellen wird, ist noch nicht absehbar. Da Veranstaltungen mit Publikum nicht möglich waren, hat das hr-Sinfonieorchester seine Konzerte auch im Januar live im Internet ge- streamt. Ein wahrer Ohrenschmaus: So war der Pianist Igor Levit, der mit seinen Hauskonzerten auf Twitter auch Menschen erreichte, die zuvor nie Zugang zur Klassik hatten, am 14. Januar zu Gast beim hr-Sinfonieorchester – unter dem Titel „Sommernachtstraum“ mit Werken von Periklis Koukos und Mozart. „Tragèdie de Salome“ ist das Livestream-Konzert mit dem designierten Chefdirigenten des Orchesters Alain Altinoglu am 21. Januar überschrieben. Und am 28. Januar präsentiert das Orchester ein Barock-Konzert mit dem Geiger Sergey Malov unter der Leitung von Andrea Marcon. Zu erleben sind alle Januar-Konzerte ausschließlich per Video-Livestream und im Nachhinein als Video-on-Demand auf der Website und den Social-Media-Kanälen des hr-Sinfonieorchesters.

www.hr-sinfonieorchester.de/index.html

Katja Möhrle