Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt und Museum Wiesbaden
Sie sind zurück. Nach viermonatiger Schließung haben Museen in Hessen ihre Pforten wieder geöffnet und dürfen – wenn auch in beschränkter Zahl und mit einem umfassenden Hygienekonzept – Besucher empfangen. Damit lässt sich auch die wochenlang nur online als Bildersequenz zu besichtigende Ausstellung „à propos“ der Grafikdesignerin Anette Lenz live im Museum für Angewandte Kunst in Frankfurt erleben. Wer die wochenlange Abstinenz von Kultur „vor Ort“ als trist und grau empfunden hat, sieht sich in der Schau einer wahren Explosion fröhlicher und knalliger Farben gegenüber.
Anette Lenz: Expressionistische Wolken
In dem lichtdurchfluteten, in purem Weiß gehaltenen Richard-Maier-Bau leuchten die Blau-, Rot-, Grün- oder Orangetöne der Plakate oder 3-D-Objekte von Anette Lenz dem Betrachter entgegen. Die aus München stammende und in Paris lebende Gestalterin hat die Museumsräume in begehbare grafische Welten verwandelt, durch die ein grafischer Bodenbelag leitet. Drei Mal zieht sich das Wort Repetition, Wiederholung, im ersten Raum über die Wände. Wie expressionistische Wolken hängen unterschiedliche grafische Variationen des Schriftzuges Relax von der Decke eines anderen Raums herab.
Freude an spielerischer Irritation
Lenz treibt ein lustvolles und experimentelles Spiel mit Typografie, Farben und Fotografie. Aus einem Misstrauen gegenüber kommerzieller Werbung heraus hat die einflussreiche Grafikdesignerin – Professorin an der Hochschule für Kunst und Design in Genf und Ehrenmitglied im Deutschen Designer Club – neue Strategien für die visuelle Kommunikation im öffentlichen Raum entwickelt. Wie in den Titel der Ausstellung „à propos“ – „nebenbei bemerkt“ – fließen in ihre Arbeiten Ironie und Freude an spielerischer Irritation ein.
So scheint das großformatige Bild eines ins Wasser gleitenden Schwans, in dessen Gefieder sich der Himmel spiegelt, mit der Umgebung des Museums zu korrespondieren. Eine bunte Plakatserie mit Bildern und Buchstaben läuft über eine Wand, ohne dass Aussage oder Botschaft erkennbar werden. In einem Saal sind monochrome Farbplatten mit Schnüren an der Decke befestigt und treten mit grafischen Formen an den Wänden in ästhetischen Dialog. Lenz geht es nicht um anwendungsbezogene Grafik, sondern um das Infragestellen herkömmlicher Muster, die sie durch die sinnliche Erfahrbarkeit ihrer Arbeiten ersetzt. Im Mittelpunkt stehen dabei die eigenen Gestaltungsprinzipien. Zu sehen bis 16. Mai, Informationen unter: www.museumangewandtekunst.de/de/besuch/ausstellungen/
August Macke: „Paradies! Paradies?“
Zu der sehenswerten Ausstellung „Paradies! Paradies?“ mit Werken August Mackes lädt das Museum Wiesbaden ein. Macke, einer der bedeutendsten deutschen Expressionisten am Beginn des 20. Jahrhunderts, war im Ersten Weltkrieg als einer der ersten Künstler mit nur 27 Jahren im September 1914 gefallen. Um dem Vergessen entgegenzuwirken, hatte seine Frau Elisabeth aus dem Nachlass des Künstlers eine „August Macke Gedächtnis-Ausstellung“ mit über 160 Werken organisiert. Anlässlich dieser umfassenden Retrospektive vor 100 Jahren präsentiert das Museum Wiesbaden in enger Kooperation mit dem Kunstmuseum Bonn August Macke in seiner Vielseitigkeit.
Rheinischer Expressionismus
„…bei mir ist Arbeiten ein Durchfreuen der Natur, der Sonnenglut und der Bäume, Sträucher, Menschen, Tiere, Blumen und Töpfe, Tische und Stühle, Berge, Wasser beschienenen Werdens…“ (August Macke an Hans Thuar, 1910). Macke galt als Maler von Heiterkeit und Harmonie; er war Mitbegründer der Künstlergruppe „Blauer Reiter“ um Wassily Kandinsky, Franz Marc, Gabriele Münter, Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin, und er prägte den Begriff „Rheinischer Expressionismus“. Mit ausgewählten Beispielen wirft die Wiesbadener Ausstellung Schlaglichter auf alle Schaffensphasen des Künstlers, dessen Interesse Landschaften, Stillleben und Portraits galt. Im Zentrum stand der Mensch in der Natur oder im urbanen Kontext, etwa als modischer Flaneur, der sich in den Schaufenstern der Großstadt spiegelt.
Mackes von Licht und Farben durchdrungene Arbeiten erzählen sowohl von der Faszination des Alltags als auch von fernen Ländern. Immer scheinen sie dabei eine gelassene Daseinsfreude zu verströmen. Neben Gemälden von intensiver Farbigkeit wie z. B. „Badende Frauen“ oder „Der Seiltänzer“ ziehen dabei das ausdrucksstarke Portrait „Frau des Künstlers mit Hut“ und das stimmungsvolle „Gartenbild 1911“ – der Garten als Verbindung von Natur und Stadt – die Aufmerksamkeit auf sich. Gezeigt werden Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle bis hin zur Druckgrafik – mit Landschaften, Stillleben und Porträts. Zu sehen bis 9. Mai, Infos unter: https://museum-wiesbaden.de
Katja Möhrle