Es ist kaum zu glauben und umso bewundernswerter. Dr. med. Alfred Möhrle, Ehrenpräsident der Landesärztekammer Hessen (LÄKH), kann auf fast 50 Jahre als Delegierter unserer Körperschaft zurückblicken, unterbrochen nur von 1984 bis 1988. Auf eine so lange Zeit kann kein anderes Mitglied der Delegiertenversammlung zurückblicken. Noch heute wäre Möhrle Delegierter, hätten ihn nicht gesundheitliche Gründe Anfang des Jahres dazu veranlasst, sein Mandat niederzulegen. Andere Gründe hätte er nicht akzeptiert, denn – obwohl ein echter Hesse – zeichnet ihn preußisches Pflichtgefühl aus. Aber schließlich wurde seine Geburtsstadt, die Freie Stadt Frankfurt am 3. Oktober 1866 von Preußen annektiert und Teil der neu geschaffenen Provinz Hessen-Nassau. Wenige Monate vor Beginn des Zweiten Weltkriegs kam er dort am 23. Mai 1939 zur Welt und blieb seiner Heimatstadt treu. Hier absolvierte er Schule und Medizinstudium, gefolgt von der Zeit als Assistenzarzt, die 1966 in der orthopädischen Abteilung im Frankfurter St. Marienkrankenhaus begann. Zwei Jahre später wurde er promoviert und wechselte in die orthopädische Abteilung des Städtischen Krankenhauses Frankfurt/Höchst. 1971 erhielt er die Bezeichnung Facharzt für Orthopädie und 1996 den Facharzt für „Physikalische und Rehabilitative Medizin“. Da war er bereits seit 22 Jahren niedergelassen, zunächst 1974 in eigener orthopädischer Praxis und später in einer von ihm gegründeten Praxisgemeinschaft in Bad Soden im Taunus.

Engagiert für die Berufspolitik

Schon als junger Mann war er nicht nur ein leidenschaftlicher Arzt, sondern auch ein überaus engagierter Berufspolitiker. Mehr als vier Jahrzehnte war er sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene ehrenamtlich engagiert, u. a. als 1. Vorsitzender des Marburger Bundes Hessen und Delegierter des Hartmannbundes, Landesverband Hessen.

1972 wurde er erstmals in die Delegiertenversammlung der LÄKH gewählt, der er bis auf die Jahre 1984–1988 für die Listen „Hippokratische Ärzte“, „Fachärzte 60 “ und zuletzt „Die Fachärzte“ ohne Unterbrechung angehörte. Dreimal wurde zum Präsidenten der LÄKH gewählt und lenkte deren Geschicke von 1992 bis 2004. Gleichzeitig war er Vorstandsvorsitzender der „Bad Nauheimer Gespräche“.

Wann immer Möhrle sich in der Delegiertenversammlung erhob, um das Wort zu ergreifen, kehrte von alleine Stille ein. Seine natürliche Autorität, gepaart mit äußerst profunden Sach- und Detailkenntnissen, garantierte seinen mit sonorer Stimme vorgetragenen Redebeiträgen die gebotene Aufmerksamkeit der manchmal lebhaften ärztlichen Parlamentarier. Oftmals gelang es ihm, aufgeregte Debatten mit wenigen sachlichen Worten einem guten Ende zuzuführen.

Alterssicherung für Ärztinnen und Ärzte im Fokus

Möhrle beherrscht nicht nur die Kunst des Wortes, sondern auch die der Zahlen. So war es nur folgerichtig, dass er sich selbstredend auch hier mit vollem Einsatz der Alterssicherung der hessischen Ärztinnen und Ärzte widmete. Von 1995 bis 2021 engagierte er sich im Versorgungswerk der Landesärztekammer als stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsratsausschusses, als Vorsitzender des Aufsichtsausschusses bzw. -rates und seit 2007 als Mitglied im Vorstand.

Sein Zahlen- und Finanzverständnis brachte er auch auf der Ebene der Bundesärztekammer ein. Er war u. a. Mitglied der Finanzkommission, der Ständigen Konferenz „Ärztliche Versorgungswerke und Fürsorge“, des Vorstandes der Bundesärztekammer (von 1992 bis 2004) und Vorsitzender des Ausschusses „Gebührenordnung, um nur einige zu nennen.

Von 2005 bis 2011 gehörte er dem Vorstand der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) an und war von 2011 bis 2017 stellvertretendes Mitglied im Vorstand.

Früh erkannte Möhrle, dass der Freie Beruf keine Selbstverständlichkeit ist, sondern stets aufs Neue belebt und verteidigt werden muss. So vertrat er die LÄKH von 2001 bis 2021 im Verband Freier Berufe Hessen und war Beisitzer im Präsidium sowie 1. Vizepräsident.

Auch in seinem Fall galt: Ein Amt kommt selten allein. So war er 2005 bis 2020 Mitglied des hessischen Rundfunkrates, dessen Vorsitz er 2005 bis 2009 innehatte.

Niemand sollte jedoch der Fehlannahme unterliegen, dass die ärztliche Profession bei diesem bemerkenswerten Engagement zu kurz kam. Vielmehr bekleidete Möhrle von 1990 bis 2000 das Amt des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Manuelle Medizin (DGMM), die er auch in der Fédération Internationale de Médicine Manuelle (FIMM) vertrat. Auch dort bekleidete er unter anderem von 1995 bis 1998 das Amt des Präsidenten.

Sein großes Engagement blieb nicht unbemerkt: 1999 wurde Möhrle mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, 2006 mit der Ehrenplakette der LÄKH in Gold und 2010 mit der Paracelsus-Medaille der Bundesärztekammer. 2018 würdigte ihn der Verband der Freien Berufe mit der Ehrenschale der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e. V. Anlässlich des 118. Deutschen Ärztetages im Jahre 2015 in Frankfurt wurde Möhrle zum Ehrenpräsidenten der Landesärztekammer ernannt.

Wo immer Möhrle sich engagierte, hinterließ er große Fußstapfen. In tiefer Dankbarkeit begleiten ihn meine guten Wünsche im Namen der Landesärztekammer Hessen.

Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident Landesärztekammer Hessen