Die Schulmedizin und auch die Mehrheit der Bevölkerung sind sich, bis auf wenige „Andersgläubige“, einig, dass Impfen deutlich mehr Vorteile als Nachteile mit sich bringt. Die Impfraten jedoch sind eindeutig zu niedrig.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) sind nur ca 50 % der Bevölkerung gegen Influenza geimpft. Eine Impfung gegen Pneumokokken erhielten ca. 5 % der Bevölkerung, eine Impfung gegen Masern lediglich ca. 1 %. In dieser prekären Situation ist es angemessen, über Veränderungen von Strukturen sowie über mögliche Anreize für einen zu impfenden Personenkreis und Impfende nachzu- denken.

Die Bundesregierung ist auf die inzwischen breit diskutierte Idee gekommen, die Impfquote gegen die saisonale Grippe durch den Einsatz von Apothekern zu erhöhen. In einem neuen Paragrafen 132i SGB V werden regionalen Modellvorhaben ermöglicht, Grippeschutzimpfungen in Apotheken durchzuführen. Die Impfung selbst ist streng genommen für jeden machbar, der steril arbeiten kann. Aber:

Es gibt verschiedene Gründe, warum das nicht sinnvoll ist.

  • Am schwersten wiegt das inhaltliche Defizit in der Ausbildung und Weiterbildung von Apothekerinnen und Apothekern. Korrektes Impfen ist nur in Kenntnis und Wertung aller Erkrankungen und Risikofaktoren des zu impfenden Patienten möglich. Dazu gehören alle Vorerkrankungen, alle aktuellen Erkrankungen sowie Allergien und Unverträglichkeiten und die aktuellen Impfnotwendigkeiten. Diese komplexen Lerninhalte und Kompetenzen werden im pharmakologischen Studium nicht vermittelt. Ein Kurzkurs kann diese Defizite nicht ausgleichen.
  • Defizite wird es auch mit der praktischen Umsetzung geben. Die Berücksichtigung eines Impfkalenders und des optimalen Zeitpunktes erfordert eine intime Kenntnis sowohl des Impf- prozederes als auch des Patienten.
  • Schwierig kann es aber schon mit der Nachsorge werden. So müssen etwa bei einer Allergie Medikamente appliziert und bei Auftreten von Fieber eine weitere Diagnostik eingeleitet werden. Bei einer vagalen Reaktion muss sogar der Notarztwagen kommen. Schließlich muss der Geimpfte doch zum Arzt.

Mit dem Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes am 1. März 2020 dürfen alle Ärztinnen und Ärzte jede Art von Impfung durchführen – so ganz sinnvoll ist das aber nicht. Auch hier gilt: Nur, wer mit dem Impfen gut vertraut ist und dies regelmäßig praktiziert, ist ein Garant für eine gute Durchführung und ein qualitätsgesichertes Ergebnis. Bei medizinischen Eingriffen – welcher Art auch immer – schaut man heute ins Internet, vergleicht, und geht zum Erfahrensten. Die meiste Erfahrung im Impfen haben natürlich die Kinder- und Jugendärzte, die hausärztlichen Internisten und Allgemeinärzte, Frauenärzte und Urologen.

Unterstützung für Ärztinnen und Ärzte, die hauptsächlich impfen

Diese in der Impfvorsorge tätigen Kolleginnen und Kollegen müssen mit aller möglichen Unterstützung in die Lage versetzt werden, mehr zu impfen. Mediengerechte Informationen und Impfkalender, guter und in ausreichender Menge vorhandener Impfstoff, einfache Abläufe gerne in enger Kooperation mit Apotheken und Entlastung bei der Dokumentation wären hilfreich. Von einer auskömmlichen Vergütung ohne Budgetierung und von Hilfe bei Regressen gar nicht zu reden. Die Übernahme einer Verantwortung für das Impfen der Bevölkerung ist auch nur dann gerechtfertigt, wenn alle Impfungen für alle Personenkreise übernommen werden.

Warum werden dann von der Politik per Bundesgesetz die Apotheker als Impf-Wunderwaffe ins Spiel gebracht?

Divide et impera hilft bei der gesundheitspolitischen Kontrolle der ambulanten und stationären Versorgung, bei den Hausärzten und den Fachärzten und jetzt auch bei den Heilberufen. Für ein deutlich höheres Entgelt, als es der impfenden Ärzteschaft zusteht, lassen sich die impfenden Apotheker vor einen politischen Karren spannen. Dem Patientenwohl dient das nicht.

Dr. med. Wolf Andreas Fach, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen, Berufsverband Deutscher Internisten e. V., Vorsitzender Landesverband Hessen

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