Leserbrief zum Artikel „Schulaufgabe: Ein Schüler interviewt einen Arzt zur Covid-19-Pandemie“, HÄBL 7/8 2020, S. 415

Seit Monaten bemühen sich hoch qualifizierte Wissenschaftler, die neue Krankheit Covid-19 zu erforschen im Hinblick auf Therapie und Prävention. Verantwortliche Politiker setzen deren Empfehlungen so schnell wie möglich und soweit mit unserem Rechtsstaat vereinbar um. Bis heute unklar ist dabei zum Beispiel die Epidemiologie von Kindern in Kindergärten und Schulen. Die Schließung solcher Einrichtungen wurde deshalb weltweit – soweit in diesen Ländern verantwortungsbereite Politiker aktiv sind – als nützlich angesehen. Unbegreiflich ist für mich nun die mit Abdruck auf fast einer ganzen Seite gewürdigte besserwisserische Meinungsäußerung des Kollegen Andor, dessen besondere fachliche Expertise auf diesem Feld oder Beteiligung an politischer Entscheidungsfindung nicht weiter dargelegt wird. Die schwache Distanzierung, dass „die Beiträge nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wiedergeben“, hilft nicht dagegen, dass das Publikationsorgan der hessischen Ärztinnen und Ärzte hierdurch deren Ansehen beschädigt.

Dr. med. Gerhard Noeske, Wettenberg

Antwort: „Es hätte schlimmer kommen können“

Die Pandemie-Studie des Deutschen Bundestages (Risikoanalyse Bevölkerungsschutz Bund Pandemie durch Virus „Modi-SARS“ DBT Drucksache 17/ 12051 Stand 10.12.2012) geht von einem Infektionsausbruch mit einem fiktiven „Modi-SARS“-Virus mit einer Sterblichkeit von 10 % der Infizierten und mindestens 7,5 Millionen Toten in drei Jahren (bis zur Verfügbarkeit eines Impfstoffs) in Deutschland aus. Verschiedene aktuelle Studien in Heinsberg (Uni Bonn), Kupferzell (RKI), China (Wuhan), deuten darauf hin, dass die Letalität der aktuellen SARS-CoV-2-Infektion statt wie zunächst befürchtet bei 10 % „nur“ bei 0,3–0,4 % liegen könnte.

Immer eindeutiger zeichnet sich ab, dass die Gefährlichkeit der Erkrankung, sofern sie zum Ausbruch kommt, mit zunehmendem Lebensalter und Komorbiditäten erheblich ansteigt.

Das Erkrankungs- und Sterberisiko für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene scheint hingegen eher gering, auch haben sich Kindergärten und Schulen bisher nicht als Hot Spot der Pandemie erwiesen.

Die vorhandenen Mittel sollte man auf den Schutz der besonders gefährdeten Personengruppen fokussieren, eine adäquate Kurskorrektur in diesem Sinne halte ich für notwendig und durch die Datenlage begründet. Für einen sachlich-differenzierten Meinungsaustausch stehe ich gerne zu Verfügung.

Michael Andor, Groß-Gerau, Facharzt für Allgemeinmedizin, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen