Wo aber Gefahr ist, wächst / das Rettende auch“ – ohne die derzeitige Lage schönreden zu wollen, lassen sich die berühmten Verse aus Hölderlins Patmos-Hymne auch auf die Corona-Krise münzen. Die Worte des Dichters, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 250. Mal jährt, spenden Trost und künden von der Macht der Kunst, die selbst in düsteren Zeiten nicht an Kreativität einbüßt.

Dort, wo Kulturveranstaltungen wegen des Lockdowns abgesagt oder verschoben werden mussten (Stand 14.04.20), kann man sich nun auf andere Weise kulturell unterhalten. Und sei es bei einem Spaziergang durch den Bad Homburger Kurpark, wo, von Parkbänken eingerahmt, das 1883 enthüllte, von dem Baumeister Louis Jacobi entworfene Hölderlin-Denkmal an den Dichter (1770–1843) erinnert, dessen Andenken jährlich mit der Verleihung des Friedrich-Hölderlin-Literaturpreises geehrt wird.

Auf den Spuren des Dichters

Die ersten Verse seines dem Landgrafen Friedrich gewidmeten Gedichts Patmos finden sich auf einer Platte über der Landgrafen-Gruft. Hölderlin, der 1776 als Haushofmeister zu der Familie Gontard nach Frankfurt kam, sich dort in Susette Gontard verliebte und daraufhin wieder von der Familie trennen musste, floh 1798 zu seinem Freund Isaac von Sinclair nach Homburg. Zwischen 1798 und 1800 lief er regelmäßig von dort nach Frankfurt, um seiner Geliebten Susette einen Brief zu bringen.

Bis auf eine Unterbrechung von zwei Jahren blieb Hölderlin bis September 1806 in Homburg und verfasste hier einige seiner wichtigsten Werke. Auch wenn zahlreiche zum Hölderlin-Jahr geplante Veranstaltungen der Corona-Epidemie geschuldet vorerst nicht stattfinden können, bleibt doch der individuelle Lese-Genuss: 2008 ist der letzte Band der umfangreichen Frankfurter Hölderlin-Gesamtausgabe erschienen.

Klassische Musik gegen den Corona-Blues

Da Museen, Theater, Konzertsäle und Kinos bis auf weiteres geschlossen sind, haben Streamingdienste derzeit Hochkonjunktur. Dabei ist das digitale Kulturangebot trotz der schwierigen Situation, in der sich Künstler und Kulturschaffende derzeit befinden, facettenreich: So spielt der Pianist Igor Levit jeden Tag live via Twitter (@igorpianist) zum Beispiel klassische Werke von Schubert und Brahms.

Zu Hause am Flügel sitzend, begeistert er seine Zuhörer mit seinem Spiel und macht den Corona-Blues damit erträglicher. „Jede dunkle Zeit hat, auch wenn nur kurze, jedoch so, so wichtige, lichte Momente“, sagt Levit. „Die mit Musik, das sind meine.“

„Die tägliche Dosis“ vom Staatstheater Darmstadt

Wie Theater in Zeiten von Homeoffice funktioniert, zeigt das Staatstheater Darmstadt in einem Video-Blog mit dem Titel „Die tägliche Dosis“: Mitarbeiter und Künstler führen vor, wie sie im Homeoffice arbeiten, proben, üben und Text lernen. Das Staatstheater Kassel plant auf seinen Social-Media-Kanälen Lesetipps vom Chefdramaturgen, #stayathome- Videos der Künstlerinnen und Künstler und ruft zum Mitmachen auf: Man kann eigene Texte, Lieder oder Ideenskizzen per Mail einschicken und die Ensemblemitglieder, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen daraus kleine Kunstwerke, die online veröffentlicht werden.

Theaterabende für zu Hause: Die Plattform www.spectyou.com bietet kostenlos Aufzeichnungen von Theaterstücken, klassischem und zeitgenössischem Tanz und Performances. Mit der „Tragödienmaschine“ wird ZDFkultur zur Bühne für das Ensemble von Simon Stones Theaterarbeit und der Zuschauer selbst zum Dramaturgen: Er kann sich jeweils die nächste Szene aussuchen.

Und noch ein Tipp: Während der Corona-Pandemie öffnet der OnleiheVerbundHessen für die Schließungszeit der Bibliotheken sein Angebot kostenfrei für alle Einwohner Hessens. Interessierte können sich unter dem Link https://hessen.onleihe.de registrieren.

Reise durch die Epochen der Kunstgeschichte

Einen digitalen Kunst- und Kultur-Lieferservice für zu Hause offeriert die Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) bei Facebook und Instagram. In kurzen Video-Clips und Mitarbeiter-Talks geht es auf eine unterhaltsame Reise durch die vielfältigen Epochen der Kunstgeschichte. Das Museum Wiesbaden bietet eine kostenlose App für Apple und Android an, die zum virtuellen Ausstellungsbesuch einlädt. Auf Instagram werden regelmäßig ausgewählte Exponate vorgestellt. In der digitalen Gemäldegalerie kann man sich außerdem durch die Alten Meister klicken. Das Jüdische Museum Frankfurt bietet Onlineausstellungen an, unter anderem zu der Familiengeschichte von Anne Frank oder der Judengasse.

Film über Impressionismus in Skulptur

Kunstliebhaber können auch das derzeit geschlossene Frankfurter Städel (aktuelle Informationen unter www.staedelmuseum.de) online besuchen. In der Digitalen Sammlung des Hauses lässt sich der Bestand des Museums bestaunen, außerdem bietet das Museum ein umfangreiches digitales Angebot. In der großen Ausstellung „EN PASSANT. Impressionismus in Skulptur“ , durch die auch ein Ausstellungsfilm führt, widmet sich das Städel Museum der Frage, was es konkret bedeutet, die Eigenschaften der impressionistischen Malerei wie Licht, Farbe, Stimmung, Bewegung – sogar Flüchtigkeit – in feste Materialien zu übersetzen.

Im Mittelpunkt der Präsentation stehen die fünf Künstler Edgar Degas,

Auguste Rodin, Medardo Rosso, Paolo Troubetzkoy und Rembrandt Bugatti. Mit mehr als 160 Werken gibt die Ausstellung erstmalig einen umfassenden Überblick über die Möglichkeiten und die Herausforderungen des Impressionismus in der Skulptur. Ausgangspunkt der Ausstellung ist Degas Skulptur der kleinen Tänzerin.

Ausstellungsbesuch in Rom

Bits und Bytes versetzen nicht nur die sprichwörtlichen Berge: Dank digitaler Möglichkeiten ist auch ein virtueller Museumsbesuch in Rom kein Problem. In einem Europa der Pandemie-bedingt geschlossenen Grenzen darf man die wunderbare Ausstellung „Raffaello“ (zu deutsch „Raffael“) in den Scuderie del Quirinale zu dessen 500. Todestag durch digitale Pforten betreten. Es ist die größte Raffael-Schau, seit der Maler und Architekt vor 500 Jahren vermutlich einem Sumpffieber erlag. Leihgaben aus aller Welt – insgesamt 120 Meisterwerke – versammeln sich hier erstmalig zu einer sensationellen Schau, die aufgrund des Coronavirus kurz nach der Eröffnung wieder für den Publikumsverkehr geschlossen werden musste.

Ihn bewegten Schönheit und Harmonie. Raffael (1483–1520), der sich 1506 als mandeläugigen Jüngling portraitierte – das Selbstbildnis

ist ebenso in der Ausstellung zu sehen wie das berühmte Doppelporträt mit Freund aus dem Louvre – gehört neben Leonardo und Michelangelo zu den drei wichtigsten Namen der italienischen Renaissance. Die Ausstellung folgt dem Lebensweg des Malers rückwärts von dessen Tod 1520 in Rom bis zu seiner Geburt 1483 in Urbino.

Als Raffaello Sanzio da Urbino zur Welt gekommen, genoss er schon zu Lebzeiten das Privileg, nur unter seinem Vornamen bekannt zu sein – Raffael malte die Sixtinische Madonna, die Galatea in der Villa Farnesina, schöne Frauen, Engel, Päpste und Kardinäle; 1514 wurde er gar Chefbaumeister des Petersdoms. Der Parcours zeichnet sein gesamtes Werk nach und stellt Raffael nicht nur als Maler und Grafiker vor, sondern auch als Präfekt für die Antike im Kirchenstaat. Solange ein physischer Besuch der Ausstellung unmöglich ist, kann man sich virtuell durch die Hallen bewegen: https://www.scuderiequirinale.it/pagine/raffaello-oltre-la-mostra

Katja Möhrle