Ziel des Pandemie-Managements ist es, das medizinische Versorgungssystem und die lebensnotwendigen Versorgungsstrukturen für die Menschen im Land aufrechtzuerhalten. Alle Maßnahmen werden darauf abgestimmt.

Die Leiterin des Gesundheitsamtes Wiesbaden, Dr. med. Kaschlin Butt, gibt einen Überblick, wie die Landeshauptstadt Wiesbaden für das Pandemie-Management Regeln aufgestellt und wie die neuen Aufgaben zusammen mit den zahlreichen Ämtern und Institutionen sowie im Gesundheitsamt selbst gestaltet wurden. In einer Grafik wird dies zusätzlich veranschaulicht.

Pandemiemanagement 

Da eine Pandemie nahezu alle Bereiche des öffentlichen Lebens erfasst, sind umfangreiche Regelungen notwendig. Mit diesem Ziel, die Pandemie bestmöglich zu bewältigen, hat die Landeshauptstadt Wiesbaden Anfang März einen Verwaltungsstab eingesetzt. Seitdem beschließt dieser täglich, auch an den Wochenenden und Feiertagen, vielseitige Maßnahmen auf der Grundlage der Verordnungen des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI) und trifft darüber hinausgehende eigene Verfügungen und Regelungen. Dem Verwaltungsstab gehören Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende und Bürgermeister Dr. Oliver Franz sowie die mit der Umsetzung der Maßnahmen befassten Ämter und Organisationen (Gesundheitsamt, Ordnungsamt, Rechtsamt, Feuerwehr, Rettungsdienst, Personalamt, Sozialamt, Landespolizei) an. Auch werden die Änderungen zu den Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus, die in wöchentlichen Telefonschaltkonferenzen mit dem HMSI, dem Städte- und Landkreistag sowie der Landesregierung kommuniziert werden, im Verwaltungsstab abgestimmt. Bis zu 20 Personen sind dafür in den vergangenen drei Monaten täglich im Rathaus und in virtuellen Sitzungen zusammengekommen.

Übergreifende Zusammenarbeit

Mit der Verwaltungsabteilung des Gesundheitsamtes erfolgten die Koordination im Verwaltungsstab sowie die kurzfristig notwendige Intensivierung der Personalgewinnung in Zusammenarbeit mit den städtischen Ämtern. Mit der tatkräftigen Unterstützung des Rechtsamtes bei komplexen rechtlichen Fragestellungen wurden etwa Allgemeinverfügungen und die schriftlichen Anordnungen zu häuslichen Absonderungen erarbeitet.

Die Datenerfassung und Weitergabe notwendiger Informationen im Rahmen des Pandemie-Managements, die weit über die bis dahin gängige Übermittlung an das Robert Koch-Institut (RKI) und das Hessische Landesprüfungs- und Untersuchungsamt im Gesundheitswesen (HLPUG) hinausgehen, mussten mithilfe der städtischen IT erfasst und bearbeitet werden. Regelungen für die schriftliche Erteilung von sanktionierenden Bescheiden, die Weiterleitung von Anträgen auf Verdienstausfall und Schadensersatzansprüchen sowie Klagen gegen die Restriktionen müssen dabei auf der Grundlage der jeweils geltenden gesetzlichen Vorgaben abgestimmt werden.

Auch die Durchführung von Zwangsabsonderungen bei Quarantäneverweigerung stellt unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor große Herausforderungen. Auf unsere Anordnung zur zwangsweisen Absonderung muss innerhalb von 24 Stunden ein Antrag bei Gericht folgen, um einen richterlichen Beschluss zur Fortführung der freiheitsentziehenden Maßnahme erwirken zu können. Voraussetzung dafür ist die Angabe einer geeigneten Einrichtung, die das Amt für Grundsicherung und das Amt für Soziale Arbeit auf eine unkomplizierte und zügige Weise bereitgestellt haben. Außerdem übernehmen diese beiden Ämter auch die Versorgung und Verpflegung der vielen sich freiwillig in häuslicher Absonderung befindlichen Menschen, die sich nicht ausreichend selbst versorgen können. Eine enge Zusammenarbeit mit den städtischen Ämtern und auch der Landespolizei ist notwendig, um die vielfältigen Infektionsschutzmaßnahmen koordinieren und umsetzen zu können.

Neben den Arbeitsgruppen, die in der oben genannten Grafik aufgeführt sind, ist der Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen des übrigen medizinischen Versorgungssystems von zentraler Bedeutung. Zusammen mit dem Dezernat II des Bürgermeisters und Gesundheitsdezernenten hat das Gesundheitsamt in der AG Kliniken (in Kooperation mit den Klinikleitungen – unter Beteiligung des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und den Vertretungen der niedergelassenen Ärzteschaft) in wöchentlichen Sitzungen die Vorbereitungen zur Sicherstellung der klinischen Versorgung abgestimmt. Diese Arbeit erstreckt sich mittlerweile auch auf die Landkreise Limburg-Weilburg und Rheingau-Taunus, die das HMSI dem Versorgungsgebiet 5 (Westhessen) der Landeshauptstadt Wiesbaden (LHW) zugeteilt hat. 

Vielerlei Aufgaben sind damit nicht nur für das Gesundheitsamt neu und müssen in erheblichem Maße von der gesamten Stadtverwaltung koordiniert werden. 

Zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben durch ihren Einsatz am Info-Telefon des Oberbürgermeisters geholfen, die vielfältigen telefonischen Anfragen, die unser Gesundheitsamt zusätzlich ab März regelrecht überflutet haben, zu beantworten. Auch an den Wochenenden und Feiertagen stehen viele Mitarbeiter für Fragen zur Verfügung, sind für die Erfassung der Infektionen und für das Quarantäne-Management im Einsatz. Durch die Einrichtung von Homeoffice-Arbeitsplätzen können Mitarbeiter, die aufgrund des Arbeitsschutzgesetzes in der Pandemie nicht im Büro sein dürfen, zumindest teilweise weiter beschäftigt werden. Dadurch wird auch die umfangreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Gesundheitsamtes zusammen mit dem Presse- referat der LHW gewährleistet.

Aufgaben im Gesundheitsamt

Die Gesundheitsämter sind für die Erfassung und Unterbrechung von Infektionsketten und damit für die Eindämmung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten, die im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt sind, zuständig. Damit haben Gesundheitsämter und -behörden eine zentrale Bedeutung im Gesamtgeschehen der (Corona-)Pandemie. 

Das IfSG legt fest, welche Krankheiten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod sowie welche labordiagnostischen Nachweise von Erregern an die Gesundheitsämter gemeldet werden müssen. Das Gesetz bestimmt, welche Angaben von den Meldepflichtigen gemacht werden und welche dieser Angaben vom Gesundheitsamt an übergeordnete Organisationen übermittelt werden müssen. Es enthält zudem im Rahmen der Bekämpfung zur Ausbreitung von Infektionen zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten und Beschränkungen der Grundrechte. 

Die Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 im IfSG auf die Infektion und den Verdacht einer Erkrankung mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2, die am 1. Februar 2020 in Kraft trat, hat für die Gesundheitsämter zu einem enormen Anstieg von zu bearbeitenden Fällen und einer Ausweitung von Maßnahmen geführt. Eine Bündelung der Arbeitsleistung im Infektionsschutz und ein hoher Arbeitseinsatz zahlreicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind erforderlich, um die vielen Aufgaben, die das Gesundheitsamt im Rahmen der Pandemiebekämpfung übernimmt, zu erfüllen.

Aufrechterhalten haben wir trotz der hohen Arbeitsbelastung die notwendige Betreuung durch den Sozialpsychiatrischen Dienst und das Frühe-Hilfen-Angebot. Zudem wurden die dringend notwendigen Aufgaben des Infektionsschutzes wie die Tuberkulose-Überwachung, die Trinkwasserhygiene und die Erfassung sämtlicher meldepflichtiger Erreger sichergestellt. Da das zur Pandemiebekämpfung nötige Personal im Gesundheitsamt, trotz der Bündelung im Infektionsschutz unter Aussetzung der kinder- und jugendärztlichen, zahnärztlichen und amtsärztlichen Tätigkeiten sowie der Aufgaben im Bereich der Gesundheitsförderung, nicht ausreicht, sind weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus der Stadtverwaltung eingesetzt. Auch externe Fachkräfte unterstützen die Arbeit im Gesundheitsamt unkompliziert mit großer Tatkraft. 

Im Rahmen der Pandemie ist es zu einer zentralen Aufgabe geworden, mit vielen Bürgerinnen und Bürgern sehr schnell in Kontakt zu kommen. Sobald der Nachweis eines SARS-CoV-2-Befundes eingeht, ist die betroffene Person unmittelbar zu informieren. Auch die Kontaktpersonen müssen umgehend ermittelt und die Quarantäne angeordnet werden. Mehrere tausend Menschen wurden bereits durch Mitarbeitende der Stadtverwaltung über die zumeist 14-tägige Quarantänezeit betreut. Die täglichen Anrufe sowie das Organisieren von Unterstützung und schneller medizinischer Hilfe, erfordern ein hohes Maß an Empathie.

Der Aufbau des Quarantäne-Managements stellte dabei eine völlig neue und umfangreiche Aufgabe für unser Gesundheitsamt dar. Dank des hohen Personaleinsatzes des Dezernates II des Bürgermeisters (dem das Gesundheitsamt zugeordnet ist) und mit tatkräftiger Unterstützung der Schulsozialarbeit und weiteren Mitarbeiter/-innen der Stadtverwaltung, konnte das Quarantäne-Management zügig aufgebaut und erfolgreich in das Gesundheitsamt integriert werden.

Der intensive Kontakt zu zahlreichen Bürgerinnen und Bürgern, der durch das Quarantäne-Management entsteht, wird von allen Mitarbeitenden als große Bereicherung empfunden, was sich wiederum positiv auf die Arbeitszufriedenheit auswirkt.

Dies betrifft auch die Kernaufgaben des Infektionsschutzes, die im Rahmen der Pandemie die Erfassung von Infektionen und die Nachverfolgung der Infektionsketten umfassen. Die SARS-CoV-2-Pandemie stellt hier eine besondere Herausforderung dar, da die Übertragung des Virus mit hoher Geschwindigkeit und häufig unbemerkt verläuft. Es war daher anfänglich fast unmöglich, dieser Arbeit gerecht zu werden. Erst im Laufe der Zeit haben sich alle Beteiligten – Ärzteschaft, Labore, Gesundheitsämter, Stadtverwaltung und Ministerien – für diese Aufgabe gut abstimmen können.

Die Restriktionen und die Etablierung von Hygienekonzepten haben dazu beigetragen, dass die Zahl der Nachverfolgungen von Kontaktpersonen für das Gesundheitsamt überschaubar geblieben ist. Die weitere Entwicklung der Pandemie lässt sich jedoch genauso schwer abschätzen, wie der zu ihrer Eindämmung nötige Personalbedarf. Eine wirkungsvolle Unterstützung bei der Nachverfolgungsarbeit leisten im Gesundheitsamt auch die Containment-Scouts des Bundesverwaltungsamtes (Ermittler von Kontaktpersonen). 

Das Gesundheitsamt hat im Rahmen der Pandemie eine Reihe von sehr verantwortungsvollen Aufgaben zugewiesen bekommen. Viele Menschen haben unserer Behörde geholfen, diese Herausforderungen zu meistern. Die Mitarbeiter in der Bundesregierung und den Bundesministerien, den Landesregierungen und den Landesministerien, den Verwaltungen der Gebietskörperschaften – sie alle haben gemeinsam den Rahmen geschaffen, in dem die umfangreichen Infektionsschutzmaßnahmen realisiert werden konnten. Für die erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen sind jedoch jene vielen Menschen von zentraler Bedeutung, die unseren Vorgaben und Anordnungen Folge leisten. Nur durch ihre Mitwirkung ist ein Gelingen unserer Arbeit möglich.

Dr. med. Kaschlin Butt, Leiterin des Gesundheitsamtes Wiesbaden, E-Mail: gesundheitsamt@wiesbaden.de