Telemedizin ermöglicht den German Doctors Einsatz trotz Corona

Sechs Wochen war Dr. med. Gaby Knecht auf den Philippinen im Einsatz für die Organisation German Doctors. Wegen des Corona-Lockdowns musste ihr Nachfolger Mitte März überstürzt abreisen. Jetzt hält die Frankfurter Fachärztin für Innere Medizin und Infektiologie mit vier weiteren Kollegen täglich virtuelle Sprechstunden für Patienten in den Bergdörfern ab: eine aus der Not geborene Idee mit Ausbaupotenzial, meint die Ärztin.

Den Wunsch, für eine Nichtregierungsorganisation (NGO) zu arbeiten, hegte sie schon lange. Doch bei Ärzte ohne Grenzen hätte sie sich für ein Jahr verpflichten müssen, für einen Einsatz auf einem Flüchtlingsschiff mindestens für ein halbes Jahr. „Als selbstständige Geschäftsführerin einer großen Praxis kann man sich das nicht leisten“ (Knecht ist Geschäftsführerin am Infektiologikum Frankfurt). Die sechs Wochen für German Doctors im Januar/Februar hingegen ließen sich abzwacken. „Das ist ein Jahresurlaub, insofern ideal für mich.“

Die German Doctors kümmern sich auf der philippinischen Insel Mindoro um die indigene Bevölkerung, die Mangyans. Es gibt ein Nord- und ein Südprojekt. Je ein Arzt beziehungsweise eine Ärztin mit einem Fahrer und drei Krankenschwestern fahren jeden Morgen in die Berge in jeweils unterschiedliche Dörfer. Viele der Menschen dort litten Anfang des Jahres unter Infekten der oberen Atemwege, da es in dieser Zeit noch sehr kühl ist. Zudem wird in den Hütten auf offenem Feuer gekocht. Häufig sind auch Hauterkrankungen – Pilzerkrankungen, infizierte Wunden – sowie Tuberkulose. Die German Doctors diagnostizieren sie und überwachen die Therapie, sagt die Frankfurter Internistin. „Schockiert hat mich die hohe Rate an Wirbelsäulentuberkulose bei Kindern. Es zu erleben, wie lange es dauert, bis Eltern ihr eineinhalbjähriges Kind vom Berg ins Tal gebracht haben, es geröntgt ist, die Diagnose vom Radiologen vorliegt und das Kind dem staatlichen Tuberkuloseprogramm zugeführt werden kann, ist sehr schwer auszuhalten.“

Als Knecht von Deutschland aus auf die Philippinen aufbrach, dachte sie noch, die Aufregung um das neuartige Coronavirus gehe schnell vorbei. Das Gegenteil war der Fall: „Als ich zurückkam, mussten wir gleich hier in der Praxis reagieren. Wir haben einen Testcontainer aufgestellt, um infektiöse Patienten zu separieren, mussten Schutzkleidung besorgen.“

Auch der Einsatz ihres Nachfolgers in Mindoro verlief nicht glatt. Nach knapp vier Wochen musste er abreisen. Die Versorgung mit Medikamenten ist gewährleistet. Antibiotika, Mittel für den Blutdruck, die Schilddrüse oder Diabetes stellen German Doctors weiter. Auch Salben und Cremes. Die Tuberkulosemedikamente liefert die Regierung. „Das klappt im Moment auch gut“, sagt Knecht. Die für das Tuberkuloseprogramm zuständige Krankenschwester und die Pharmazieassistentin versuchen, die Sprechstunde aufrechtzuerhalten. Auch in Abwesenheit der Ärzte fuhren die Teams weiterhin in die Berge, brachten Essen und Mundschutz mit, hielten Schulungen zu Hygiene und Händewaschen ab. „Aber keiner hat nach den akuten Erkrankungen geschaut.“ Nachdem klar wurde, dass der Lockdown länger dauert, fragten die beiden Teams in Mindoro die German Doctors, ob man eine Art virtuelle Sprechstunde aufbauen könne. „Wir haben alle sofort zugestimmt.“

Nach zwei, drei Wochen waren die Teams mit Smartphones ausgestattet. „Unten im flachen Land ist das Netz ganz gut.“ Jetzt fährt das Team in die Berge, versorgt die Chroniker mit Medikamenten und macht Fotos, schreibt Anamnesen auf, die Vitalparameter, warum der Patient sich bei der reduzierten Sprechstunde vorstellt. „So halten wir fünf Kollegen von Deutschland als Telemedizin-Messenger-Gruppe täglich Sprechstunden für die indigene Bevölkerung ab.“ Für akute Fälle gibt es staatliche Health Center. „Die sind kompliziert, aber erreichbar.“ Ein aus der Not geborenes Projekt, von dem sich lernen lässt: „Mit Telemedizin kann man die Kollegen vor Ort besser unterstützen“, sagt Knecht. So habe sich bei ihrem Einsatz gezeigt, dass sie als Internistin und Infektiologin dermatologische Defizite hat. Bei Unsicherheiten machte sie ein Foto und zog eine Hautärztin aus Frankfurt zu Rate. „Telemedizin nutzt bei solchen Einsätzen, um noch mehr interdisziplinär zu arbeiten.“

Auch in der Gemeinschaftspraxis in Frankfurt hat das Team in Coronazeiten Videosprechstunden angeboten, weil manche Patienten sich nicht getraut haben, aus dem Haus zu gehen oder öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. „Da sind viele Patienten noch skeptisch. Es gab auch viele, die fanden die Videosprechstunde besser als nur mit uns zu telefonieren.“