Sind Internisten ohne Schwerpunkt ein Auslaufmodell? – Keineswegs.

Landauf und landab wird das Hohelied der Spezialisierung gesungen. Der Zeitdruck und der Kostendruck bringen es mit sich. Die Allgemeinärztin und der Allgemeinarzt müssen sich um alles kümmern, von der Krankschreibung bei Husten, Schnupfen, Heiserkeit bis zur Differenzialdiagnose von Infektionen, Thoraxschmerz, Befindlichkeitsstörungen und vielem mehr.

Die aktuelle Gesundheitspolitik fordert, dass sie sich dieser Aufgabe durch ein Rezept, eine rasche Überweisung an den Facharzt oder eine Einweisung in die Klinik entledigen. Der Rest soll von Spezialisten behandelt werden. Dafür sind sie ja da. Je mehr und spezialisierter sie ihre Eingriffe vornehmen, desto besser.

Zentralisierung und Fokussierung auf Subspezialitäten sind die Folge. Von einer patientenorientierten Führung und Steuerung, geschweige einer Betreuung von Patienten durch unser Gesundheitssystem ist keine Rede mehr. Zwischen Allgemeinärzten und Spezialisten öffnet sich zunehmend eine Lücke. Zum Glück gibt es noch die allgemeinen Internisten. Allen Versuchen der Politik und der Spezialisierung zum Trotz haben sie überlebt. Und sie sollten aufgewertet werden.

Im ambulanten Bereich wären Untersuchungen durch allgemeine Internisten hilfreich. So manche Überweisung zum „Spezialisten“ könnte durch eine eingehende Anamnese, eine gründliche internistische Untersuchung, einfache Ultraschalluntersuchungen des Herzens, des Abdomens und der Gefäße (oder Ähnlichem) obsolet werden. Die „Firstline-Diagnostik“ würde logischer, patientennäher, schneller und wohl auch kostengünstiger.

Auch in den Kliniken macht der Allgemeininternist Sinn. Das gilt z. B. für Konsile bis hin zur Akut- und Notfallmedizin. Wie oft werden in den Kliniken ein Konsil nach dem anderen durchgeführt, nicht immer mit Ergebnissen: „Die Beschwerdesymptomatik gehört nicht in mein Fachgebiet – auf Wiedersehen.“ Wertvolle Zeit und Ressourcen werden verschwendet.

Die Allgemeininternistin und der Allgemeininternist kennen die Erkrankungen aus vielen Schwerpunkten. Die breite und ganzheitliche Erfahrung in der Weiterbildung schlägt sich in ausführlichen klinischen und technischen Untersuchungen bis zur Intensivmedizin nieder. Sie ermöglichen oft die frühe Differenzialdiagnose und Klärung von Befunden und ihrer Ernsthaftigkeit .

In der Klinik werden Zeit und Qualität gewonnen und nicht zielführende Untersuchungen vermieden. Im ambulanten Bereich wird mancher Klinikaufenthalt entbehrlich. Gerade eine älter werdende und zunehmend multimorbide Gesellschaft braucht den internistischen Generalisten.

Dr. med. Wolf Andreas Fach, Präsidiumsmitglied der Landesärztekammer Hessen, Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Vorsitzender Landesverband Hessen

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