Der Kasseler Chirurg Dr. med. Franz Kuhn (1866–1929) hat vor über 100 Jahren im Elisabeth-Krankenhaus Kassel Medizingeschichte geschrieben. Eine neue Gedenktafel im Foyer des Krankenhauses würdigt seine Verdienste.

Die Einweihung der Gedenktafel zu Ehren von Dr. med. Franz Kuhn (Porträt hinten) im Elisabeth-Krankenhaus Kassel. Von links: Dr. Wolfgang Schrammel von der B. Braun Melsungen AG; Rainer Kuhaupt, Leitender Oberarzt Anästhesie, Elisabeth-Krankenhaus; Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der LÄKH und Stellvertretender Landesvorsitzender Hessen des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten, sowie ebenfalls vom Elisabeth-Krankenhaus: Dr. med. Uwe Behrmann, Ärztlicher Direktor; Marieluise Labrie, Krankenhausdirektorin, und Dr. med. Rainer Wollborn, Chefarzt Anästhesie.

Von links: Dr. Wolfgang Schrammel von der B. Braun Melsungen AG; Rainer Kuhaupt, Leitender Oberarzt Anästhesie, Elisabeth-Krankenhaus; Dr. med. Edgar Pinkowski, Präsident der LÄKH und Stellvertretender Landesvorsitzender Hessen des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten, sowie ebenfalls vom Elisabeth-Krankenhaus: Dr. med. Uwe Behrmann, Ärztlicher Direktor; Marieluise Labrie, Krankenhausdirektorin, und Dr. med. Rainer Wollborn, Chefarzt Anästhesie.

Wegbereiter der Anästhesie

Franz Kuhn wurde am 12. Oktober 1866 als fünftes Kind einer Landwirtfamilie in Aschaffenburg geboren. Er studierte Medizin in Würzburg, Berlin und München. 1899 wurde er als Chirurg Leiter des gerade eröffneten Elisabeth-Krankenhauses Kassel. Hier schrieb Franz Kuhn seine bedeutendsten wissenschaftlichen Arbeiten und forschte im Bereich der Lungenchirurgie. Es sind aus dieser Zeit über 90 Veröffentlichungen bekannt. Seine Publikationen waren wegweisend für die spätere Entwicklung der Anästhesie, Chirurgie und Rettungsmedizin. Ein großer Teil seiner Schriften beschäftigte sich mit der erstmalig von ihm so bezeichneten „peroralen Intubation“. Leider wurde der Wert seiner Erkenntnisse von vielen Medizinkollegen erst Jahre später erkannt.

„Katgut Kuhn“ – ein Meilenstein für die Wundheilung

Weltweite Bekanntheit erlangte Franz Kuhn durch die Entwicklung eines sterilen Nahtmaterials. Er hatte erkannt, dass die Ursache für Wundinfektionen in dem keimbelasteten Nahtmaterial aus Tierdarm, dem so genanntem Katgut, lag. Mit dem Apotheker Carl Braun aus Melsungen fand er 1908 einen Partner, der das Nahtmaterial mithilfe einer Jodlösung unter höchsten hygienischen Anforderungen nach seinen Vorgaben herstellte. Dieses Katgut gab den Chirurgen nun endlich ein resorbierbares Nahtmaterial an die Hand, das das Risiko für die Entstehung von Wundinfektionen und Nahtinsuffizienzen drastisch reduzierte.

Perorale Intubation

Franz Kuhns grundlegende Überlegungen zur Lungenchirurgie und Atemphysiologie ließen ihn die schon in Frankreich und den USA veröffentlichten Methoden zum Offenhalten des Atemwegs konsequent weiterentwickeln. Anregungen hierfür erhielt er auf einer Studienreise im Jahre 1897 an den Kliniken und Instituten von New York, Philadelphia und Baltimore. Kuhns Lösung war schließlich ein Metallspiralschlauch, der – in den Rachen eingeführt – den Luftweg offenhält und damit eine erfolgreiche Beatmung unter Narkose zulässt. Dieser sogenannte Kuhn-Tubus erleichterte damit viele Operationen und ermöglichte neue Operationsmethoden in der Lungen- und Gesichtschirurgie. Mit seinem Tubus leistete er zu einer Zeit, in der viele Patienten noch an einer Narkose starben, einen frühen Beitrag zur Patientensicherheit. Seine Erkenntnisse fasste Kuhn in der 1911 veröffentlichten Monografie „Die perorale Intubation“ zusammen, die auch einen „Leitfaden zur Erlernung und Ausübung der Methode mit reicher Kasuistik“ enthielt.

Dennoch wurde Kuhn in Deutschland zunächst allein mit seiner Erfindung des Steril-Katguts in Verbindung gebracht. Erst mithilfe der Monografie des US-amerikanischen Anästhesisten Noel A. Gillespie über die endotracheale Narkose (1948) erlangte Kuhn auch in seinem Heimatland posthum Bekanntheit als Pionier der Luftröhren-Intubation.

Kompressor im Krankenhaus

Durch die Intubation war eine Überdruckbeatmung des Patienten möglich. Für diese sogenannte Überdrucknarkose, die Franz Kuhn unter anderem als geeignetes Mittel für Thoraxeingriffe demonstrierte, benötigte er Druckluft. Zu diesem Zweck verwendete er im Elisabeth-Krankenhaus Kassel einen auf ein Fahrgestell montierten Kompressor – wohl zum ersten Mal in einem Krankenhaus überhaupt. Als Visionär erkannte er auch die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten für die Druckluft in Krankenhäusern.

1913 verließ Kuhn Kassel, um die Direktion des neuerbauten St.-Norbert-Krankenhauses in Berlin zu übernehmen. Dort verstarb er mit 63 Jahren am 28. März 1929. Der Nachwelt aber bleibt er bis heute unter anderem als ein Pionier der Intubationsnarkose in Erinnerung.

Rainer Kuhaupt, Leitender Oberarzt Anästhesie, Elisabeth-Krankenhaus Kassel