Charles Verlag 2020, 148 Seiten, kartoniert, ISBN 9783948486075, € 14, auch E-Book

Der Frankfurter Allgemeinmediziner und Geisteswissenschaftler Manfred Schulz kann auf eine lange Laufbahn im ärztlichen Bereitschaftsdienst zurückblicken. „Notfälle“ hält die denkwürdigsten Einsätze fest. Wer nun drastische Darstellungen vital bedrohlicher Extremsituationen erwartet, wird enttäuscht. Vieles ist psychosozialer Natur, oft verbunden mit Armut oder großem Reichtum, manchmal zunächst skurril oder befremdlich. Manfred Schulz schafft es jedoch durch seine respektvolle und zurückhaltende Erzählweise, einen würdevollen Umgang mit seinen Protagonisten zu finden und ihre innere Not in den Vordergrund zu stellen. Selbstverständlich nennt er weder Namen noch Diagnosen, um sie nicht identifizierbar zu machen. Bereits nach wenigen Sätzen entfalten sich Persönlichkeit und Situationen, fiebern die Leser mit.

Geschildert wird das breite Spektrum der ärztlichen Tätigkeit im Bereitschaftsdienst und gesellschaftliche Missstände in der Großstadt Frankfurt am Main. Die Heilkunst kann hier, wenn überhaupt, nur Symptome behandeln und steht den Ursachen hilflos gegenüber. Davon eindrücklich zu berichten, ohne es auch nur ein einziges Mal anzusprechen, ist sicherlich die beeindruckendste Leistung des Autors.

Svenja Krück