Landesärztekammer Hessen fordert Erhalt der tariflichen Vielfalt

Pressemitteilung

Nachdrücklich fordert die Landesärztekammer Hessen Bundestag und Bundesrat auf, die Tarifpluralität zu erhalten und nicht durch ein Gesetz einzuschränken. Das Konstrukt der Tarifeinheit durch Einheitstarifverträge ist nicht nur verfassungsrechtlich höchst bedenklich, sondern von der Wirklichkeit längst überholt worden. So hat sich tarifliche Vielfalt seit Jahren in hessischen Krankenhäusern bewährt. Würde sie wegfallen, könnten z.B. ärztliche Interessen bei Tarifverhandlungen nicht mehr angemessen vertreten werden. "Mit absehbaren negativen Folgen", warnt Ärztekammerpräsident Dr. med. Gottfried von Knoblauch zu Hatzbach: "Der Arbeitsplatz Krankenhaus würde für Ärztinnen und Ärzte immer unattraktiver und die ärztliche Versorgung der Patienten zunehmend problematischer werden."
Hintergrund: Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) Prof. Dr. Dieter Hundt und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Michael Sommer hatten am 4. Juni 2010 in einem gemeinsamen Eckpunktepapier vorgeschlagen, den Grundsatz der Tarifeinheit im Tarifvertragsgesetz gesetzlich festzuschreiben. Die Eckpunkte "Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sichern - Tarifeinheit gesetzlich regeln" sehen vor, dass in einem Betrieb nur der Tarifvertrag gelten soll, an den die meisten Gewerkschaftsmitglieder gebunden sind, falls sich die Geltungsbereiche mehrerer, von verschiedenen Gewerkschaften geschlossener Tarifverträge überschneiden.
Dagegen gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 7. Juli 2010 den von ihm selbst geschaffenen Grundsatz der Tarifeinheit "Ein Betrieb, ein Tarifvertrag" in Fällen von Tarifpluralität auf.

Tarifpluralität liegt vor, wenn für einen Betrieb durch die Tarifbindung des Arbeitgebers mehr als ein Tarifvertrag Anwendung findet, für den einzelnen Arbeitnehmer aber jeweils nur ein Tarifvertrag gilt. Das Gericht stellte fest, dass es keinen übergeordneten Grundsatz, insbesondere kein Gesetz gebe, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen könnten. Darüber hinaus sei die Verdrängung eines Tarifvertrages auch mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 3 GG nicht zu vereinbaren. Könnten also etwa die in einem Krankenhaus vom Marburger Bund abgeschlossenen Tarifverträge wegen des Grundsatzes der Tarifeinheit nicht mehr angewandt werden, würde die Koalitionsfreiheit des Marburger Bundes und seiner Mitglieder nach Artikel 9 Abs. 3 GG dadurch praktisch wirkungslos.

Kurz nach dem Urteil des BAG brachte die rheinland-pfälzische Landesregierung einen Entschließungsantrag für eine gesetzliche Regelung der Tarifeinheit in den Bundesrat ein, in dem sie die Eckpunkte von BDA und DGB übernommen hat. Nun beraten die zuständigen Ausschüsse des Bundesrates über den Antrag aus Rheinland-Pfalz.
Die Landesärztekammer Hessen schließt sich den verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesarbeitsgerichts an und hält eine gesetzliche Zementierung des Grundsatzes der Tarifeinheit für verfassungswidrig.