Der Medizinische Dienst (MD), wie er jetzt heißt, beschäftigt uns Ärztinnen und Ärzte immer und überall. Stationär und ambulant, mehr als uns lieb ist, verursacht erheblichen Aufwand und ist in seinen Entscheidungen intransparent. Diese Entscheidungen sind häufig endgültig und fallen oft genug nicht im Sinne der Beantragenden oder Geprüften aus.

Zur Erläuterung: Den „Vertrauensarzt“ als Kontrollinstanz der Krankenkasse zunächst zur Überprüfung von Arbeitsunfähigkeiten gibt es seit 1925. Über den MDK zum MD mutiert, sind vielfältige Aufgaben wie die Beurteilung von Krankenhausbehandlungen und der Pflegebedürftigkeit hinzugekommen. — Hat sich durch die Namensänderung etwas an der Zielsetzung geändert? Eindeutig nein. Auch der MD ist allein im Auftrag der Krankenkassen unterwegs, die Benennung als MD(K) wäre ehrlicher. Krankenkassen beauftragen die Überprüfung einer Leistung, der MD(K) bewertet sie und die Krankenkassen bescheiden. Die DRG (Diagnosis Related Groups) wird gestrichen oder gekürzt, die Reha oder eine neue Medikation nicht bewilligt. Eine zweckmäßige Trennung der Aufgaben die eine eindeutige Verantwortung unpopulärer Entscheidungen vermeidet.

Wie ist es aber um die Unabhängigkeit wirklich bestellt?

Die Ansprüche des MD(K) an sich selbst sind hoch. Im „Kompetenzbericht“ des MD(K) aus dem Jahr 2024 werden Unabhängigkeit, Transparenz, Entscheidungen im Sinne Betroffener wiederholt in den Vordergrund gestellt. — Wie ist es aber um die Unabhängigkeit wirklich bestellt? Schon das Genfer Gelöbnis betont die unabhängige Entscheidungsfindung von Ärztinnen und Ärzten, egal wo und für wen sie arbeiten. Trotzdem bleibt ein Geschmäckle. Aussage Metschurat, Vorsitzender des Verwaltungsrates des MD(K): „Die Gutachterinnen und Gutachter des Medizinischen Dienstes arbeiten im Auftrag der Kranken- und Pflegekassen“. Auch die Bänkelsänger im Mittelalter richteten sich in ihren Liedern nach den Wünschen der Auftraggeber. Bei allem Respekt vor der ärztlichen Unabhängigkeit: einen Interpretationsspielraum gibt es immer.

Der Aufwand für alle Beteiligten ist hoch. Anfragen und Widersprüche des MD(K) binden zunehmend ärztliche und pflegerische Arbeitskraft, in der Inneren Medizin bis zu 40 % neben der Verwaltungstätigkeit. Subtilere Auslegungen von Richtlinien führen zu subtileren Kontrollen und einer immer aufwendigeren Dokumentation, um berechtigte Leistungsansprüche nachzuweisen. Ein Teufelskreis. Prüfungen nach Aktenlage und zukünftig mit KI werden das Phänomen noch verstärken. Ein minimaler Fehler, früher im kollegialen Gespräch in Sekundenbruchteilen ausgeräumt, wächst sich zu einer administrativen Schlammlawine von Stellungnahmen, Widersprüchen und Klagen aus.

„Ein minimaler Fehler wächst sich zu einer administrativen Schlammlawine aus.“

Und sind die Entscheidungen wirklich so unbestechlich und gut, wie sie vorgeben? Zahlen für den ärztlichen Bereich sind rar. In der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit, häufig nach Aktenlage oder Teleinterview, werden 30 % der Einstufungen erfolgreich beanstandet. Es bleibt ein Graubereich von Pflegebedürftigen, die nicht aufbegehren und sich in ihr Schicksal fügen.

Prüfungen im ärztlichen Bereich führen zu manchen Skurrilitäten. Cannabisverordnungen vom Schmerztherapeuten werden von in der Regel fachfremden Prüfern in bis zu 30 % abgelehnt mit aufwendigen Widersprüchen zur Folge. Eine langwierige und aufwendige Reanimation in der Notaufnahme soll bitte als ambulanter Fall abgerechnet werden. Viele unterschiedliche Fachgebiete kommen als Gutachter zu Wort, eine fachspezifische Beurteilung ist nicht der Regelfall und kommt wohl erst in Widerspruchsverfahren zum Tragen. Der MD(K) gleicht einer Trutzburg: Gründe für einen Prüfbescheid werden nicht kommuniziert, Ansprechpartner nicht angegeben und der Datenschutz der Patienten vorgeschoben. Der Prüfprozess bleibt intransparent und die Korrektur von Entscheidungen damit erschwert.

Es werden zwar viele Statistiken veröffentlicht, eine wirkliche Kontrollinstanz für den MD(K) fehlt aber. Dem Verwaltungsrat des MD(K) als Kontrollorgan auf Landesebene ist sage und schreibe ein einzelner außenstehender Arzt/Ärztin zugeordnet, sicherheitshalber ohne Stimmrecht. Die Erstellung von Richtlinien erfolgt medizinisch autark und intern, mit Genehmigung durch das BMG. Die Umsetzung neuer medizinischer Erkenntnisse und Evidenzen wird durch Leitlinien, Entscheidungen des GB-A und die Umsetzung in die Prüfpraxis gehemmt. Und es geht auch noch eine Nummer größer. Dem MD(K) wird in der Umsetzung des KHVVG eine Schlüsselposition zugewiesen. Von seinem Wohl und Wehe hängt die Zuordnung von Leistungsgruppen ab. Die bisherige Prüfpraxis lässt eine wenig flexible Auslegung der Vorgaben des Bundes befürchten. Die Bundesländer werden das Nachsehen haben.

Der MD(K) hat sich von einer Kontrollinstanz der Krankenkassen mit „Aufsicht“ durch das Bundesgesundheitsministerium zu der zentralen bewertenden Institution im deutschen Gesundheitswesen entwickelt und bedarf daher einer effektiven öffentlichen Kontrolle durch alle mit dem Gesundheitswesen verbundenen Gruppierungen wie Patientinnen und Patienten, Pflegebedürftigen und Pflegenden sowie Ärztinnen und Ärzten in Kliniken und Praxen. Transparenz und fairer Interessensausgleich darf es nicht nur in der Hochglanzbroschüre geben.

Dr. med. Wolf Andreas Fach, Präsidiumsmitglied