Dr. Iris Natanzon, Annette Seelig, Nina Walter

Welche Facharztrichtungen streben junge Ärztinnen und Ärzte an und wie sehen eigentlich die Berufspläne des ärztlichen Nachwuchses aus? Der medizinische Nachwuchsmangel in Deutschland sorgt seit Jahren für Diskussion [1]. Doch wie ist die medizinische Nachwuchslage in Hessen? Bis 2013 verfügte die Landesärztekammer Hessen über keine aktuellen Daten über die sich in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte. Um diese Lücke zu schließen, wurde ein Weiterbildungsregister etabliert, das die in Hessen tätigen Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung (ÄiW) einmal jährlich erfasst. Auf Grundlage des Weiterbildungsregisters sollen unter anderem potentielle Engpässe in der zukünftigen ärztlichen Versorgung in Hessen identifiziert werden, um frühzeitig Maßnahmen initiieren zu können.

Die Geburtsstunde des Hessischen Weiterbildungsregisters

2009 wurde auf dem 112. Deutschen Ärztetag in Mainz eine bundeseinheitliche Meldepflicht der sich in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte befürwortet. Ende 2010 wurden im Rahmen einer Delegiertenversammlung die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Erhebung in Hessen geschaffen. Es wurde ein hessenspezifischer Weg eingeschlagen: Weiterbildungsbefugte sind seit dieser Zeit laut hessischer Weiterbildungsordnung (WBO) § 5 Abs. 7 verpflichtet, ihre sich in Weiterbildung befindliche Ärztin oder befindlichen Arzt der Landesärztekammer Hessen zu melden.

Seit 2013 geschieht dies in Hessen über eine Abfrage aller zur Weiterbildung befugten Ärztinnen und Ärzte in einer Gebietsbezeichnung, die verpflichtet sind, die Ärztekammer bei der Aktualisierung des Weiterbildungsregisters nach Aufforderung zu unterstützen. Im Hessischen Ärzteblatt wurde über die ersten zentralen Ergebnisse des Weiterbildungsregisters berichtet [2, 3, 4].

Alle Jahre wieder: Aufforderung an alle Weiterbildungsbefugten

Seit 2013 werden einmal jährlich alle Weiterbildungsbefugten einer Gebietsbezeichnung in Hessen schriftlich aufgefordert, die sich bei ihnen in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte zum Stichtag 1.10. zu melden. Falls eine Befugte/ein Befugter zum Stichtag über keine Ärzte in Weiterbildung in ihrer/seiner Weiterbildungsstätte verfügt, muss sie/er dies ebenfalls der Landesärztekammer mitteilen.

Befugnisse für eine Zusatz- oder Schwerpunktbezeichnung wurden bisher nicht berücksichtigt. In den ersten Jahren war die Meldung nur postalisch oder per Fax möglich. Seit 2015 kann eine Meldung auch über das Portal der Landesärztekammer Hessen erfolgen. Die Weiterbildungsbefugten werden um folgende Informationen gebeten: Die Einheitliche Fortbildungsnummer (EFN) der ÄiW, die vertragliche Wochenarbeitszeit der ÄiW und ob sie sich zum Stichtag in Mutterschutz oder Elternzeit befanden.

Ergebnisse aus zehn Jahren Hessisches Weiterbildungsregister

Seit Erhebungsbeginn liegt die durchschnittliche Rückmeldequote bei 90 Prozent. Pro Erhebungsjahr hatten sich bei ca. vier Prozent der angeschriebenen Personen die Voraussetzungen ihrer Weiterbildungsbefugnis verändert. Sie wurden bei der Auswertung von der jährlichen Grundgesamtheit ausgeschlossen. Gründe dafür waren u. a. „Ruhestand“, „Praxisschließung“ oder „verstorben“.

Im Jahr 2022 verfügten 45 Prozent der rückgemeldeten Befugnisse über einen oder mehrere Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. 55 Prozent der Befugnisse waren ohne ÄiW. Im Vergleich zu den Vorjahren ist der Anteil an Befugnissen mit ÄiW um drei Prozentpunkte gestiegen.

Gemeldete Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung

Zum Stichtag 1. Oktober 2022 wurden 6.439 aktive ÄiW von den Weiterbildungsbefugten einer Gebietsbezeichnung gemeldet. Wie in Abb. 1 dargestellt, ist der Anteil der gemeldeten Ärztinnen und Ärzte seit Erhebungsbeginn um mehr als 30 Prozentpunkte gestiegen.

Abb. 2 zeigt, dass 2022 die Mehrheit weiblichen Geschlechts ist (57 Prozent). Der Anteil der männlichen ÄiW ist seit 2013 um fünf Prozentpunkte auf 43 Prozent gestiegen.

Hinsichtlich der Altersstruktur gibt es seit Erhebungsbeginn kaum Unterschiede. Während im Jahr 2013 das Durchschnittsalter der gemeldeten Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung 34,7 Jahre betrug, lag es 2022 fast identisch bei 34,6 Jahren.

Die Registerdaten verdeutlichen, dass der Anteil an ÄiW mit ausländischem Pass bis 2022 gestiegen ist (vgl. Abb. 3). Während im Jahr 2013 rund 17 Prozent der gemeldeten ÄiW über einen ausländischen Pass verfügten, besaßen 2022 bereits 29 Prozent einen ausländischen Pass.

Auffällig ist, dass die 1.818 ÄiW mit ausländischer Staatsangehörigkeit überwiegend männlichen Geschlechts sind (2022: 53 Prozent). Hierdurch lässt sich der Anstieg an männlichen ÄiW in der Grundgesamtheit erklären.

Auch der Anteil an Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung, der in Teilzeit beschäftigt ist, steigt kontinuierlich, wenn auch langsam, an. Wie in Abb .4 dargestellt, verdeutlichen die Zahlen, dass der Anteil an Teilzeitbeschäftigungen seit Erhebungsbeginn um 5 Prozentpunkte gestiegen ist (2022: 21 Prozent).

Die Verteilung der Ärzte in Weiterbildung nach Fachgebieten entspricht nahezu den Vorjahren: Abb. 5 verdeutlicht, dass die größte Gruppe bereits seit Erhebungsbeginn im Jahr 2013 zur Inneren Medizin (26 Prozent) gehört, gefolgt von den Gebieten Chirurgie (16 Prozent) und Anästhesiologie (10 Prozent).

Fazit

Die Landesärztekammer Hessen beschäftigt sich bereits seit Jahren mit Fragen zum ärztlichen Nachwuchs. Anhand des Weiterbildungsregisters können Entwicklungen des fachärztlichen Nachwuchses genauer prognostiziert, Engpässe in der zukünftigen Versorgung frühzeitig identifiziert sowie Maßnahmen abgeleitet werden. Ferner können Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung direkt für Befragungen angeschrieben werden, ohne den Umweg über die Befugten gehen zu müssen.

Hinsichtlich der Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung kann nach zehn Erhebungsjahren resümiert werden, dass die Ergebnisse bezüglich soziodemographischer Merkmale wie Alter und Geschlecht im Vergleich zu früheren Erhebungen bisher keine relevanten Veränderungen aufweisen [5]. Wie auch in den Jahren zuvor ist die Mehrheit der ÄiW weiblichen Geschlechts. Der Altersdurchschnitt aller Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung in Hessen betrug im Jahr 2022 erneut 35 Jahre und der Anteil an Teilzeitbeschäftigungen hat seit Erhebungsbeginn um 5 Prozentpunkte zugenommen (2022: 21 Prozent). Ferner zeigen die Registerdaten, dass der Anteil an Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung mit ausländischem Pass seit Erhebungsbeginn angestiegen ist.

Jede Meldung für das Weiterbildungsregister ist wichtig!

Im Oktober werden erneut alle für eine Facharztbezeichnung befugten Ärztinnen und Ärzte in Hessen für das Weiterbildungsregister angeschrieben und um Meldung ihrer sich in Weiterbildung befindlichen Ärztinnen und Ärzte gebeten. Zur Fortsetzung eines aussagekräftigen Weiterbildungsregisters benötigen wir weiterhin die Mitwirkung aller Weiterbildenden. Wir möchten alle Befugten hiermit aufrufen, ihre Meldung für das Register nach Aufforderung fristgerecht und vollständig einzureichen. Nur so können verlässliche Aussagen aus dem Weiterbildungsregister gewonnen sowie Trends kontinuierlich identifiziert werden. Wir bedanken uns für Ihre wertvolle Mitwirkung!

Informationen zum Hessischen Weiterbildungsregister sind auf unserer Website unter der Rubrik „Weiterbildung“ abrufbar: https://www.laekh.de/fuer-aerztinnen-und-aerzte/weiterbildung/weiterbildungsregister oder via Kurzlink: https://tinyurl.com/mt94uscj

Dr. Dipl.-Soz. Iris Natanzon, Wissenschaftliche Referentin, Landesärztekammer Hessen, E-Mail: qs@laekh.de

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