Es gibt nur wenige „Erfindungen“ und „Entdeckungen“ in der Medizingeschichte, an denen sich kein Prioritätsstreit entzündete. Dazu gehört die Erfindung eines „Lichtleiters“ genannten Endoskops durch Philipp Bozzini (* 25. Mai 1773 in Mainz; † 4. April 1809 in Frankfurt am Main), der seit 1803 in Frankfurt ärztlich tätig war (Abb. 1). Dieses Instrument darf heute noch unbestritten als das erste praktisch brauchbare „Endoskop“ der Welt bezeichnet werden. Der Begriff „Endoskopie“ wurde aber erst Mitte des 19. Jhds. in die Medizin eingeführt.

Eine Vorrichtung, welche die Strahlen des Lichtes in innere Höhlen des lebenden animalischen Körpers führt, und aus diesen wieder auf das Auge zurück leitet, heisse ich den Lichtleiter“, schrieb der Erfinder im Jahre 1807. Wie Bozzinis eigenhändige Konstruktionszeichnungen (Abb. 2a & b) zeigen, handelte es sich bei seinem Lichtleiter um eine Art von Laterne („Lichtbehälter“; ca. 35 cm hoch) mit einer darin befindlichen Wachskerze als künstliche Lichtquelle. Ferner bestand der Lichtleiter „aus Röhren (Lichtleitungen), welche die Lichtstrahlen in die Höhlen oder Zwischenräume des lebenden animalischen Körpers führen“ und „aus Röhren (Reflecionsleitungen), welche die eingeworfenen Strahlen wieder auf das Auge zurück leiten“ [Bozinni 1807, p. 1–2]. Ferner konnten je nach untersuchter Körperhöhle verschiedengroße Specula an das Gerät angeschlossen werden.

Der genauere Aufbau der Licht- und Reflektionsleitungen ist als zentrale optische Einheit in Abb. 3 dargestellt: „So ist die Lichtleitung (Fig. 2. A.B.C) der Winkel, unter welchem die erleuchtete Fläche B.C. auf das Auge zurückfällt; in x durchkreuzen sich diese Winkel, also ist x die Stelle der Reflectionsendigung von der Reflectionsleitung abc., und die Linie bc. der kleine Durchmesser der Reflectionsöffnung […]. Wird dieser kleine Durchmesser grösser, oder näher an B.C. geführt, so hindert er die Ausströmung des Lichtes von A nach C; – wird er kleiner, oder von B.C. weiter als x entfernt, so wird B auf a nicht reflectirt, und die ausströmenden Strahlen vermischen sich mit den Reflectionsstrahlen, – und es entsteht Blendung. Jede besondere Lichtleitung macht daher auch jedesmal eine besondere Reflectionsleitung nöthig“ [Bozzini 1807, p. 11].

Mit diesem Instrument konnte man die relativ breit zugänglichen Körperhöhlen (Rachen und Kehlkopfbereich oder die Vagina) zumindest teilweise ausleuchten und auch optisch untersuchen. Der Lichtleiter wurde seinerzeit auch praktisch in Wien insbesondere in der Mund- und Nasenhöhle an Lebenden erfolgreich erprobt.

Dass sich Bozzinis Entdeckung aber nicht allgemein durchsetzte, hatte seine Ursache (neben dem Neid und Missgunst seiner Kollegen) vor allem in der großen Hitze der Wachskerze (Gefahr der Hautverbrennung) bei nur schwacher Lichtintensität. Störend war auch der Qualm der Kerze. Kritisiert wurde auch, dass die Lichtintensität es nur gestattete, kleinere Anteile der zu untersuchenden Körperhöhle auszuleuchten. Erst nach Einführung des elektrischen Lichtes und anderer technischer Verbesserungen und nach vielen vergeblichen Versuchen anderer Forscher konnte der Urologe Maximilian Nitze (1848–1906) in Wien 1879 sein Zystoskop zur Blasenspiegelung publizieren und demonstrieren. Nitze vergaß auch nicht in seinem Lehrbuch, den Lichtleiter Bozzinis zu erwähnen.

Über Bozzinis Leben unterrichtet uns sein in lateinischer Sprache verfasster Grabstein, der sich heute noch gut sichtbar an der Außenwand der alten Sakristei an der Nordseite des Frankfurter Domes befindet (Abb. 4). In freier Übersetzung lautet die Inschrift:

† † † Der frommen, verschiedenen Seele des Dr. med. Philipp Bozzini zum Gedächtnis, der Deutscher war und der als allererster begonnen hat, die Hohlräume des menschlichen Körpers mit künstlichem Licht dem Auge zugänglich zu machen. – Als ein bösartiges Fieber wütete, heilte er viele durch seine Kunst und Hingabe. Jedoch in der Nacht vom 4./5. April 1809 entriss ihn der Tod in seinem 36. Lebensjahr. Selbst ein Sieger, wurde er zum Besiegten. Seine treuen Freunde † † †“.

Wenige Voraussagen in der Medizingeschichte haben sich in einem solchen Umfang erfüllt, wie das folgende Zitat aus einer Publikation Bozzinis aus dem Jahre 1807 [p. 16]:

Der Nutzen des Lichtleiters ist so allgemein, dass er auf jeden Theil der Heilkunde mittelbar oder unmittelbar den bedeutendsten Einfluss haben muss.

Prof. Dr. med. Michael Sachs

Dr. Senckenbergisches Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Fachbereich Medizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Paul-Ehrlich-Str. 20–22, 60590 Frankfurt am Main

Die Literaturhinweise finden Sie hier.