Dr. med. Britt Beckmann, Dr. Stefanie Scheiper-Welling, Dr. Tina Jenewein, Prof. Dr. Silke Kauferstein

Ein frühzeitiger plötzlicher Herztod eines Menschen ist ein Ereignis, welches noch häufig mysteriös erscheint.

Jedoch ist es oftmals nicht so, dass ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Herztod weder vom Arzt noch vom Patienten zuvor erkannt werden könnte und der Tod tatsächlich „out of the blue“ bei anscheinend gesunden Personen auftritt. Ein großer Teil der an einem plötzlichen Herztod Verstorbenen hatte zuvor bereits Kontakt zum Gesundheitssystem [1–5].

In vielen Fällen liegen (möglicherweise unerkannte) erkenn- und behandelbare Erkrankungen vor, welche in ihrem Verlauf richtungsweisend durch adäquate etablierte prophylaktische oder therapeutische Maßnahmen beeinflusst werden könnten. Je jünger der Verstorbene ist, desto häufiger liegt ein hereditäres Arrhythmiesyndrom zugrunde.

Die Etablierung einer eindeutigen Diagnose einer möglichen hereditären Arrhythmieerkrankung ist von großer Bedeutung für Betroffene und Angehörige, um adäquate spezifische präventive oder therapeutische Maßnahmen ergreifen zu können.

Aufgrund der Seltenheit der einzelnen möglichen hereditären Erkrankungen, die daher nicht jedem Arzt geläufig sein können, soll im Folgenden nur auf diese näher eingegangen werden.

Andererseits kann die Diagnose einer anderweitigen, nicht hereditären Ursache eines plötzlichen Todes die Familien oftmals hinsichtlich der Gefährdung weiterer Angehöriger „entlasten“. Das Ziel ist es, die kleine Hochrisikogruppe innerhalb der Allgemeinbevölkerung zu erkennen.

Epidemiologie

Die Häufigkeit plötzlicher Herztodesfälle wird derzeit auf etwa 67.000 pro Jahr in Deutschland geschätzt, bei einer Inzidenz von ca. 81 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr, hochgerechnet anhand einer Studie aus dem Landkreis Aurich in Niedersachsen. Die Inzidenz eines plötzlichen Herztods stieg mit zunehmendem Lebensalter deutlich an und war in dieser Studie im Alter von 70–80 Jahre etwa achtmal höher als im Kindes- und Jugendalter; jedoch verstarben 39 % in einem Alter zwischen 15 und 65 Jahren, was auch einen wichtigen sozioökonomischen Faktor darstellt. In jedem Alter waren Personen männlichen Geschlechts häufiger von einem plötzlichen Herztod betroffen [6]. Vgl. Abb. 1 [8, 9]

Wann spricht man von einem „plötzlichen Herztod“?

Von einem plötzlichen Herztod spricht man bei einem natürlichen Tod, welcher mutmaßlich aus kardialer Ursache verursacht ist und sich bei beobachteten Fällen innerhalb einer Stunde nach Einsetzen von Symptomen ereignet bzw. bei nicht beobachteten Fällen, wenn der Betroffene innerhalb der letzten 24 Stunden noch lebend gesehen wurde.

Möglicherweise zugrundliegende hereditäre arrhythmogene Herzerkrankungen

Für einen plötzlichen Herztod ursächliche hereditäre Arrhythmieerkrankungen können grob in zwei Gruppen eingeteilt werden: in primär rhythmogene Herzerkrankungen (zumeist Ionenkanalerkrankungen) und in strukturelle Herzerkrankungen. Dabei liegt bei der Darstellung der hereditären Arrhythmieerkrankungen derzeit noch das Konzept der monogenen Erkrankungen mit zumeist autosomal-­dominantem Erbgang zugrunde, auch wenn viele der hereditären Herzerkrankungen poly- oder oligogenetische Komponenten aufweisen [10]. Dies soll im Folgenden noch beibehalten werden, da auch die gültigen Leitlinien (noch) darauf basieren. Allerdings wird dieses Konzept gerade einem Wandel unterzogen, da hierbei viele andere Faktoren wie zum Beispiel das Zusammenspiel verschiedener genetischer Veränderungen und Umweltfaktoren hinsichtlich der Penetranz und Expressivität der Erkrankungen bislang unzureichend berücksichtigt sind.

Die häufigsten hereditären primären Arrhythmieerkrankungen, welche nach einem plötzlichen unerklärten Herztod bei jung Verstorbenen nachgewiesen werden, sind die Long-QT-Syndrome (LQTS), das Brugada-Syndrom (BrS), die katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Kammertachykardie (CPVT) und die Short-QT-Syndrome (SQTS). Diese Erkrankungen sind oft in einem Ruhe-EKG (LQTS, BrS, SQTS) oder einem Belastungs-EKG (CPVT) auch bei bislang nicht symptomatischen Personen erkennbar.

Den hereditären Formen dieser Erkrankungen liegen häufig Sequenzvarianten in Genen zugrunde, welche für kardiale Kalium-, Natrium- oder Calciumionenkanäle kodieren. Es kommt in Folge zu einem „Loss- oder Gain-of-Function“ des betroffenen Ionenkanals. Dadurch wird die kardiale Re- oder Depolarisation gestört oder es besteht zumindest eine eingeschränkte Repolarisationsreserve, die sich bei Hinzukommen von Faktoren, welche die Funktion der Ionenkanäle weiter beeinträchtigen (z. B. bestimmte Substanzen, die den Kaliumionenkanal blockieren oder Hypokaliämie), zeigt.

Daneben gibt es auch sogenannte „erworbene“ Long-QT-Syndrome, welche als Begleiterscheinung einer anderweitigen Erkrankung auftreten können einschließlich „medikamenteninduzierter Long-QT-­Syndrome“, bei welchen die Ionenkanalfunktion temporär, zum Beispiel durch kaliumionenkanalblockierende Medikamente, beeinträchtigt wird und sich nach Absetzen der Medikamente wieder normalisiert.

Die häufigsten hereditären strukturellen Arrhythmieerkrankungen stellen die hypertrophe und die hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie (HCM/HOCM) mit einer Prävalenz von 1:500 sowie die selteneren arrhythmogenen (rechts-) ventrikulären Kardiomyopathien (ARVC/ACM), die familiären Formen der dilatativen Kardiomyopathie (DCM) und die linksventrikulären Non-Compaction-Kardiomyopathien (LVNC) mit jeweils einer Prävalenz von etwa 1:2500 bis 1:2000 dar.

HCM und HOCM sind zumeist auf eine genetische Veränderung in einem der Gene zurückzuführen, die für das Sarkomer kodieren. Bei den arrhythmogenen (rechts-) ventrikulären Kardiomyopathien sind häufig Varianten in Genen, die für die Zell-Zell-Verbindungen kodieren, ursächlich; bei den Formen der familiären dilatativen Kardiomyopathie lassen sich unter anderem Varianten in Genen finden, welche für kardiale Strukturproteine oder die Kern-Lamina kodieren, vgl. Tab. 1.

Tab. 1: Möglicherweise hereditäre zugrundeliegende Erkrankungen mit Prävalenz in der Bevölkerung

Strukturelle Herzerkrankungen

Prävalenz in der Bevölkerung

Koronare Herzerkrankung

altersabhängig, bis ca. 25 %

Myokarditis

n.a.

Koronaranomalien

ca. 1:300 bis 1:100

Hypertrophe Kardiomyopathie

ca. 1:500

Arrhythmogene (rechtsventrikuläre) Kardiomyopathie

ca. 1:2000

Familiäre dilatative Kardiomyopathie

ca. 1:1250

Restriktive Kardiomyopathie

n. a.

primär elektrische Erkankungen (zumeist Ionenkanalerkrankung)

Long-QT-Syndrom (LQTS)

ca. 1:2000

Brugada-Syndrom (BrS)

ca. 1:2000

Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT)

ca. 1:10.000

Progressive conduction disorder (PCCD)

ca. 1:2000

Short-QT-Syndrom (SQTS)

< 1:10.000

Kardiogenetik

Die Subspezialisierung „genetische Kardiologie“ oder kurz: „Kardiogenetik“ hat in den vergangenen 20 Jahren große Fortschritte gemacht. Genetische Untersuchungen in der Kardiologie haben mittlerweile Einzug in die Routinediagnostik gehalten und ermöglichen in vielen Fällen eine personalisierte Risikoeinschätzung und personalisierte Prophylaxe oder Therapie. Aufgrund der Entwicklung der Next-­Generation-Sequencing-Technologien ist es möglich geworden, zahlreiche Arrhythmiegene auf einmal zu untersuchen, was in Folge jedoch zu einer großen Herausforderung bei der Interpretation der dadurch häufig generierten „Varianten unklarer Signifikanz“ geführt hat und daher spezialisierten Einrichtungen mit Erfahrung bei der Befundinterpretation vorbehalten sein sollte. Varianten unklarer Signifikanz sind ein heikler Punkt der Genetik und eignen sich fast nie zu einem Familienscreening im klinischen Rahmen.

Durch diese Entwicklung der genetischen Untersuchungen hat die klinische Untersuchung der Patienten jedoch keinesfalls an Bedeutung verloren; der Genetikbefund ermöglicht es vielmehr, eine bessere Risikoeinschätzung in Zusammenschau mit den klinisch-kardiologischen Befunden vornehmen zu können, um möglichst frühzeitig präventiv oder therapeutisch tätig werden zu können.

Die aktuellen Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie für das Management von Patienten mit ventrikulären Arrhythmien und die Prävention des plötzlichen Herztods enthalten die klare Empfehlung (Klasse IB) für eine kardiogenetische Untersuchung, wenn eine Erkrankung bei einem lebenden oder verstorbenen Individuum diagnostiziert wurde, welche wahrscheinlich eine genetische Ursache hat und ein Risiko für ventrikuläre Arrhythmien und plötzlichen Herztod beinhaltet. Jedoch wird ein ungezieltes genetisches Testen bei unzureichenden Hinweisen auf eine genetische Erkrankung explizit nicht empfohlen (Klasse IIIC; nicht empfohlen).

Die genetischen Befunde dienen mittlerweile nicht nur der Diagnosesicherung und dem erleichterten Familienscreening, um Personen mit einem erhöhten Risiko für die jeweilige Erkrankung erkennen zu können, sondern dienen in manchen Fällen auch der Risikostratifizierung und damit konkreten Therapieentscheidungen. So wird unter Anderem neuerdings in den Leitlinien zum Beispiel bei Patienten mit einer hereditären Form einer dilatativen Kardiomyopathie das Vorliegen einer pathogenen Sequenzvariante in den Genen LMNA, PLN, FLNC oder RBM20 als einer von zwei Risikofaktoren (neben Synkope, late-Gadolinium-Enhancement in der Herz-MRT oder Induzierbarkeit von anhaltenden monomorphen ventrikulären Tachykardien in einer elektrophysiologischen Untersuchung) bewertet, bei welcher die Entscheidung zur Empfehlung einer Defibrillatorimplantation auch schon bei einer LVEF < 50 % erwogen werden sollte (Klasse IIa) [7].

Postmortale Befunde nach einem plötzlichen ungeklärten Tod junger Menschen

Strukturelle Herzerkrankungen können in der Regel im Rahmen einer Autopsie und histopathologischer Untersuchungen erkannt werden. Bei den primär arrhythmogenen Erkrankungen finden sich häufig keine auffälligen kardialen Befunde im Rahmen der Obduktion. Solche Fälle, die – nach Ausschluss anderweitiger todesursächlicher Erkrankungen und toxikologischer Ursachen – weiterhin ungeklärt bleiben, bezeichnet man als „sudden unexplained death syndrome“ (SUDS).

In einer Studie von Bagnall et al., erschienen im New England Journal of Medicine im Jahr 2016 [11], wurden prospektiv klinische und demographische Informationen und Autopsiebefunde aller Fälle eines plötzlichen Herztods von Personen im Alter von 1 bis 35 Jahren in Australien und Neuseeland von 2010 bis 2012 erfasst. Sofern sich nach einer Obduktion einschließlich einer toxikologischen und histologischen Untersuchung keine Ursache für den plötzlichen Tod gefunden hatte, erfolgte eine postmortale kardiogenetische Untersuchung („molekulare Autopsie“).

Es handelte sich bei dem Kollektiv um 490 an einem plötzlichen Herztod Verstorbene. 72 % der Verstorbenen waren männlich. Die häufigsten Befunde waren ein strukturell unauffälliges Herz („sudden unexplained death syndrome“, SUDS) in 40 % aller Fälle, gefolgt von koronaren Herzerkrankungen (24 %), Kardiomyopathien (16 %) einschließlich dilatativer, hypertropher oder arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie, Myokarditiden und Aortendissektionen [11].

Mit Hilfe einer molekularen Autopsie konnte in dieser Studie in 27 % der Fälle aus der Gruppe der Todesfälle mit strukturell unauffälligen Herzen (SUDS) eine klinisch relevante Genveränderung in einem der bekannten Arrhythmiegene gefunden werden und in 13 % der Fälle konnte letztlich in Verbindung mit klinischen Befunden von Angehörigen im Rahmen einer Follow-up-Untersuchung die Diagnose einer spezifischen hereditären Arrhythmieerkrankung gestellt werden.

Hinweise auf hereditäre arrhythmogene Erkrankungen

Auch wenn die einzelnen hereditären kardialen Arrhythmieerkrankungen selten sind, sind sie in ihrer Gesamtheit nicht mehr so selten. Weil es sich in den meisten Fällen um behandelbare Erkrankungen handelt und es zumeist auch erkennbare Hinweise auf die jeweils zugrunde liegende Erkrankung gibt, ist es wichtig, diese Hinweise zu kennen.

Synkopen oder Krampfanfälle, die nicht sicher einer nicht-kardialen Ursache (z. B. vasovagale Synkopen, orthostatische Hypotension) zuzuordnen sind, sollten immer Anlass zu einer weiterführenden Abklärung geben. Diese sollte die Erhebung der Familienanamnese im Hinblick auf plötzliche Todesfälle in jungem Alter – auch durch Ertrinken oder ungeklärte Autounfälle („aus unbekannter Ursache von der Straße abgekommen“) – und Herzerkrankungen beinhalten.

Nicht selten stellt sich eine rhythmogene Synkope als Krampfanfall dar, sodass man bei einem Krampfanfall auch immer differentialdiagnostisch eine Herzrhythmusstörung als Ursache erwägen sollte.

Bereits im Ruhe-EKG können, bei Vorliegen der entsprechenden Erkrankungen, Hinweise zu sehen sein, wie zum Beispiel eine Verlängerung des frequenzkorrigierten QT-Intervalles (QTc) oder rechtsschenkelblockartige ST-Hebungen in den Ableitungen V1 und/oder V2, welche ohne isoelektrische Linie in eine negative T-Welle übergehen (BrS) bzw. ein AV-Block I° bei Patienten mit einer dilatativen Kardiomyopathie als möglicher Hinweis auf eine hereditäre Form der Erkrankung, vgl. Tab. 2 „red flags“.

Tab. 2: „Red flags“, welche Anlass für eine kardiologische Abklärung geben sollten

  • Mutmaßlich rhythmogene Synkopen, besonders bei spezifischen Triggern (Stress, schriller Wecker, Sport, Schwimmen)
  • Krampfanfälle ohne eindeutig pathologische EEG-Befunde
  • Plötzliche ungeklärte Todesfälle in jungen Jahren in der Familienanamnese (auch ungeklärte „Unfälle“ oder plötzlicher Kindstod)
  • Herzschwäche und/oder Herzschrittmacherpflichtigkeit vor dem 50. Lebensjahr

Legende:Warnzeichen, die neben den bekannten Symptomen wie Angina Pectoris oder Dyspnoe Anlass für eine sorgfältige kardiologische Untersuchung geben sollten.

Mechanismus der tödlichen Arrhythmien

Der häufigste Mechanismus der zum Tod führenden Arrhythmien scheint eine ventrikuläre Tachykardie zu sein, die zunächst in Kammerflimmern und später in eine Asystolie übergeht.

Ein plötzlicher Herztod kann als ein elektrischer Unfall gesehen werden. Anatomische und/oder funktionelle Substrate, die für die Entwicklung einer lebensbedrohlichen ventrikulären Tachyarrhythmie anfällig machen im Zusammenspiel mit transienten, beeinflussbaren Ereignissen wie zum Beispiel Hypokaliämien oder der Einnahme von bestimmten Medikamenten oder Substanzen, können dann maligne Arrhythmien verursachen [12].

Das bedeutet, es ist auch deshalb wichtig, eine eventuell zugrunde liegende arrhythmogene Erkrankung möglichst genau zu kennen, um spezifische, kontrollierbare Faktoren benennen und beeinflussen zu können. Vgl. Abb. 2.

Symptome und richtungsweisende Befunde

Erstsymptome können in jedem Lebensalter auftreten. Bei dem LQTS und der CPVT zeigen die meisten Patienten bereits im Kindes- oder Jugendalter erste Symptome; beim BrS typischerweise zumeist erst im mittleren Lebensalter.

Synkopen, welche sich auch als Krampfanfälle darstellen können — besonders wenn sie durch spezifische Trigger ausgelöst werden — können ein Hinweis auf eine hereditäre arrhythmogene Erkrankung sein.

Typische Arrhythmietrigger können zum Beispiel der Sprung ins kalte Wasser, plötzliche Aufregung oder Anstrengung (LQTS Typ 1, CPVT) oder ein plötzliches schrilles Geräusch aus der Ruhe heraus (LQTS Typ 2) sein. Beim Brugada-Syndrom sind typische Auslöser für Arrhythmien Fieber, opulente Mahlzeiten oder Schlaf. Bei der CPVT ist das Ruhe-EKG in der Regel unauffällig, jedoch zeigen sich bei einem Belastungs-EKG reproduzierbar polymorphe ventrikuläre Arrhythmien in Form von gehäuften polymorphen ventrikulären Extrasystolen bis hin zu einer bidirektionalen ventrikulären Tachykardie.

Manchmal unterscheiden sich die Ruhe-EKG-Aufzeichnungen von Patienten mit Kardiomyopathien bei den hereditären Formen der Erkrankung nicht von denen der nicht-hereditären Kardiomyopathien, mit Ausnahmen wie z. B. der dilatativen Kardiomyopathie bei Vorliegen einer pathogenen LMNA-Variante, welche typischerweise mit stark abgeflachten P-Wellen und einem AV-Block 1. Grades einhergeht.

Bei der arrhythmogenen rechtsventrikulären Kardiomyopathie können sich als diagnostische Wegweiser T-Wellen-Negativierungen über der Vorderwand in den Ableitungen V1 bis V3 (oder bis V6) im Ruhe-EKG zeigen und bei fortgeschritteneren Stadien der Erkrankung ist häufig auch eine Epsilonwelle zu sehen.

Die zu Synkopen führenden ventrikulären Arrhythmien sind beim LQTS typischerweise die Torsades-de-Pointes-Tachykardie, beim BrS und der CPVT polymorphe Kammertachykardien und bei der ARVC monomorphe LSB-förmige Kammertachykardien.

Die EKG-Auffälligkeiten können bei den primären Arrhythmieerkrankungen in manchen Fällen auch nur intermittierend sichtbar sein, sodass eine einzelne EKG-Aufzeichnung, bei entsprechendem Verdacht, die jeweilige Erkrankung nicht ausschließen kann.

Es gibt sehr seltene Unterformen des LQTS, welche autosomal-rezessiv vererbt werden und mit weiteren Auffälligkeiten wie sensineuraler Schwerhörigkeit und einem schwereren kardialen Phänotyp einhergehen können (Jervell-Lange-Nielssen-Syndrom), vgl. Abb. 3 [7, 9].

Abkürzungen zu Abb. 3: Typisches Alter (Jahre) bei Erstsymptom/plötzlichem Herztod

LQTS

Long-QT-Syndrome

CPVT

Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Kammertachykardie

HCM

hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie

ARVC

arrhythmogene (rechts-) ventrikuläre Kardiomyopathie

BrS

Brugada-Syndrom

DCM

dilatative Kardiomyopathie

KHK

Koronare Herzkrankheit

ICM

Ischämische Kardiomyopathie

Klinische Diagnostik hereditärer Arrhythmiesyndrome

Sofern sich aufgrund von Anamnese, Familienanamnese, auffälligen Symptomen oder Befunden der begründete Verdacht auf eine hereditäre Arrhythmieerkrankung ergibt, sollte zunächst ein Ruhe-12-Kanal-EKG, ein Belastungs-EKG, eine echokardiographische Untersuchung und ein Langzeit-EKG durchgeführt werden. Da die EKG-Veränderungen im Ruhe-EKG flüchtig sein können, empfehlen sich wiederholte Ruhe-EKG-Aufzeichnungen.

Mit diesen nicht-invasiven Untersuchungen ist es häufig bereits möglich, eine (Verdachts-) Diagnose zu stellen. Bei spezifischen Fragestellungen sollte eine weitere Diagnostik eingeleitet werden.

Bei dem Verdacht auf ein Brugada-Syndrom ist es sinnvoll, die Elektroden für die Ableitungen V1 und V2 einen oder zwei Interkostalräume höher anzubringen, da damit die Sensitivität der EKG-Aufzeichnung erhöht wird. Zudem gibt es die Möglichkeit, ein „verborgenes“ Brugada-Syndrom mit Hilfe eines Provokationstests mit Ajmalin zu demaskieren. Dieser Test sollte jedoch spezialisierten rhythmologischen Zentren vorbehalten sein. Sofern ein Brugada-Syndrom bei dem Patienten vorliegen sollte, würde sich im Rahmen dieser Untersuchung ein diagnostisches Brugada Typ 1-EKG zeigen [13].

Bei Verdacht auf eine strukturelle Herzerkrankung kann eine Herz-MRT-Untersuchung oft eine genauere Diagnose ermöglichen.

Eine elektrophysiologische Untersuchung ist zur Diagnosestellung bei den hier beschriebenen Erkrankungen nur selten sinnvoll; in der Regel sind die nicht invasiven Untersuchungen zur Diagnosestellung ausreichend. Jedoch kann eine elektrophysiologische Untersuchung bei spezifischen Erkrankungen im Einzelfall der Risikostratifizierung dienen und hat zum Beispiel im Rahmen der Therapie von anhaltenden monomorphen ventrikulären Tachykardien bei symptomatischen Patienten, vor allem bei der ARVC, einen gesicherten Stellenwert [7], vgl. Abb. 4.

Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen

Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologe (DGPK)

Die deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und die deutsche Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie (DGPK) haben in einem Positionspapier Stellung – angelehnt an die internationalen Empfehlungen – zur Bedeutung von molekulargenetischen Untersuchungen bei kardiovaskulären Erkrankungen genommen [14].

Genetische Untersuchungen bei hereditären Arrhythmieerkrankungen

Eine Übersicht über die nationalen Empfehlungen für genetisches Testen gibt Tab. 3.

Tab. 4 gibt eine Übersicht über die Detektionsraten bei genetischen Untersuchungen bei hereditären Arrhythmieerkrankungen.

Zu den Anforderungen für genetisches Testen siehe Abb. 5.

Grundsätzlich wird eine interdisziplinäre Untersuchung und Anbindung an ein Fachzentrum empfohlen [14].

Tab. 3: Empfehlungsgrade für herzgenetische Untersuchungen

Erkrankung

Nationaler Empfehlungsgrad

Erläuterung Empfehlungsgrad

Long-QT-Syndrom (LQTS)

I

Die Maßnahme wird empfohlen und sollte durchgeführt werden („recommended“)

Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT)

I

Die Maßnahme wird empfohlen und sollte durchgeführt werden („recommended“)

Brugada-Syndrom (BrS)

I

Die Maßnahme wird empfohlen und sollte durchgeführt werden („recommended“)

Hypertrophe (obstruktive) Kardiomyopathie (HCM, HOCM)

I

Die Maßnahme wird empfohlen und sollte durchgeführt werden („recommended“)

Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie (ARVC)

I

Die Maßnahme wird empfohlen und sollte durchgeführt werden („recommended“)

DCM mit Erregungsleitungsstörung (AVB I°), oder familiär

I

Die Maßnahme wird empfohlen und sollte durchgeführt werden („recommended“)

Legende: alle Empfehlungen mit Evidenzlevel „C“: d. h. basierend auf dem Konsensus von Experten und/oder kleinen Studien, retrospektiven Studien oder Registern. Modifiziert nach [14]

Tab. 4: Detektionsrate bei genetischen Untersuchungen bei potenziell hereditären arrhythmogenen Erkankungen

Klinische Diagnose

Detektionsrate kausaler genetischer Veränderungen

Long-QT-Syndrom

60–70 %

Brugada-Syndrom

ca. 20 %

Katecholaminerge polymorphe ventrikuläre Tachykardie

50–60 %

Hypertrophe und hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie

50–60 %

Dilatative Kardiomyopathie

20–30 %

Arrhythmogene (rechtsventrikuläre Kardiomyopathie)

50 %

Legende: Detektionsrate kausaler genetischer Veränderungen bei Untersuchung von Genen mit solider Evidenz für einen Kausalzusammenhang mit der jeweiligen Erkrankung (Ingles et al., Genetic testing in inherited heart diseases, Heart, Lung and Circulation 2019 und Schulze-Bahr et al. , Gendiagnostik bei kardiovaskulären Erkrankungen – Konsensuspapier ... siehe [14].

Therapeutische Optionen bei hereditären Arrhythmiesyndromen

Nach sorgfältiger individueller Risikostratifizierung können die therapeutischen Optionen von wenig einschränkenden Empfehlungen („Lifestyle-Modifikation“) mit Meidung spezifischer Arrhythmietrigger wie z. B. Meidung bestimmter Medikamente, frühzeitige Fiebersenkung, Vermeidung von intensiven sportlichen Aktivitäten über eine medikamentöse Behandlung bis hin zu Herzschrittmacher- oder ICD-Implantation oder (in sehr seltenen Fällen!) der Herztransplantation reichen.

Stellenwert der klinischen Diagnostik und Limitationen der genetischen Diagnostik

Die genetische Diagnostik ersetzt die sorgfältige klinische Diagnostik keinesfalls.

Sie kann jedoch die Verdachtsdiagnose stützen und mittlerweile in vielen Fällen auch der Risikostratifizierung dienen. Zudem kann sie die Familienuntersuchung erleichtern, sofern eine eindeutig krankheitsverursachende Sequenzvariante in einem Gen nachgewiesen wurde.

Wenn keine krankheitsursächliche genetische Veränderung gefunden wurde, schließt dies das Vorliegen der jeweiligen Erkrankung nicht aus, macht jedoch eine autosomal-dominante hereditäre Form der Erkrankung eher unwahrscheinlicher, sofern der Stammbaum nicht dafür spricht – letztlich handelt es sich dann bei der Diagnose der hier beschriebenen Erkrankungen um eine klinische Diagnose.

Auf der anderen Seite muss jedoch eine Überdiagnostik von genetischen Erkrankungen vermieden werden, um unnötige Behandlungen zu verhindern und die Familien nicht durch erhebliche psychische Belastungen in ihrer Lebensqualität zu beeinträchtigen.

Dies gelingt am Ehesten durch eine solide klinische Diagnostik, die sorgfältige Auswahl der zu untersuchenden Gene (d.h. keine Schrotschussdiagnostik bei unklaren Phänotypen im klinischen Setting, sondern Beschränkung auf die Untersuchung etablierter Krankheitsgene mit gesicherter Evidenz für die jeweilige Erkrankung!) und einer multidisziplinären Einordnung der Genetikbefunde durch ein erfahrenes Team.

In einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung einer Studie von Grondin et al. im European Heart Journal [15], in welcher die Untersuchung einer Kohorte von 228 Überlebenden eines plötzlichen Herztods ungeklärter Ursache bei systematischer klinischer und genetischer Abklärung beschrieben wurde, konnte eindrucksvoll gezeigt werden, dass eine Erweiterung der Diagnostik auf Gene, für welche das ClinGen-Konsortium (www.clinicalgenome.org/working-groups/clinical-domain/) nicht wenigstens eine moderate, starke oder definitive Evidenz als krankheitsursächliches Gen erkennen konnte, die Anzahl gefundener Varianten unklarer Signifikanz deutlich erhöhte, ohne jedoch einen nennenswerten Zuwachs an pathogenen oder zumindest wahrscheinlich pathogenen Varianten zu generieren. Eine Erweiterung der Diagnostik von einem 53 Gen-Panel auf ein 184 Gen-Panel hatte zur Folge, dass nun bei 40 % der Untersuchten mindestens eine Variante unklarer Signifikanz gefunden wurde; zuvor war dies „nur“ bei 24 % der Untersuchten der Fall. Die Anzahl der pathogenen oder zumindest wahrscheinlich pathogenen Varianten hatte sich jedoch nur marginal von 22 auf 23 erhöht.

Letztlich konnte im Rahmen dieser Studie bei 10 % aller Untersuchten eine zumindest wahrscheinlich pathogene Variante in einem der etablierten Krankheitsgene gefunden werden und in einer Untergruppe von gut phänotypisierten Fällen mit einer wahrscheinlichen klinischen Diagnose (n=21) stieg der Anteil auf 29 % [15].

Fazit

Die genetische Diagnostik bei dem Verdacht auf ein hereditäres Arrhythmiesyndrom hat mittlerweile Einzug in die Routinediagnostik gehalten. Sie dient der Diagnosesicherung und damit der Einleitung von präventiven oder therapeutischen Maßnahmen bei Patienten mit einer hereditären Arrhythmieerkrankung und einem dadurch erhöhten Risiko für potenziell lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen. Da es für diese Erkrankungen etablierte präventive und ggf. therapeutische Möglichkeiten gibt, sollte die kleine Risikogruppe innerhalb der Allgemeinbevölkerung erkannt und einem spezialisierten Zentrum zugeführt werden. Die weitere, oft lebenslange Überwachung und Behandlung kann dann von den wohnortnahen behandelnden niedergelassenen Kardiologen und Hausärzten in Rücksprache mit dem spezialisierten Zentrum erfolgen.

Allerdings ist mit dem technischen Fortschritt („Next Generation Sequencing“-Methoden), welcher die schnellere und umfangreichere Untersuchung zahlreicher Gene auf einmal ermöglicht, auch die Anzahl von gefundenen Varianten unklarer Signifikanz stark angestiegen. Diese dienen jedoch im klinischen Setting weder dem behandelnden Arzt, noch dem Patienten hinsichtlich therapeutischer Konsequenzen und können zu einer großen Verunsicherung führen und dazu, dass die Betroffenen sich fälschlicherweise selbst als „krank“ wahrnehmen. Daher ist es derzeit nicht sinnvoll, außerhalb der Forschung möglichst viele Gene auf einmal zu untersuchen; die Auswahl der zu untersuchenden Gene sollte gut durchdacht und gezielt phänotypbasiert getroffen werden. Für eine ungezielte genetische Diagnostik ohne konkrete Anhaltspunkte für eine spezifische zugrundliegende Erkrankung gibt es – außerhalb eines Forschungsrahmens – keine klinische Indikation.

Grundsätzlich sollten alle genetischen Befunde regelmäßig hinsichtlich ihrer Einschätzung erneut evaluiert werden, da sich die Interpretation mit zunehmendem Wissen ändern kann.

Genetische Untersuchung bei Menschen dürfen nur nach den Richtlinien des am 01.02.2010 in Kraft getretenen Gendiagnostikgesetzes durchgeführt werden. Zu den Einzelheiten siehe Gendiagnostikgesetz – GenDG; https://www.gesetze-im-internet.de/gendg/

Die sorgfältige klinisch-kardiologische Diagnostik hat hinsichtlich ihrer Bedeutung keinesfalls abgenommen, da ein Genetikbefund nie isoliert von den klinischen Befunden interpretiert werden kann. Der Kliniker kann seine Therapieentscheidungen auch nie allein anhand eines Genetikbefundes treffen. Eine sorgfältige Indikationsstellung für eine genetische Untersuchung und die multidisziplinär getroffene Befundinterpretation ermöglichen jedoch eine moderne, individualisierte Einleitung von Präventionsmaßnahmen oder der gezielten Behandlung von Patienten mit einem erhöhten Risiko für potenziell lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen.

Bei klugem Einsatz der genetischen Diagnostik kann diese von großem Nutzen zur Vermeidung plötzlicher Herztodesfälle bei jungen Menschen sein. Eine Überdiagnostik muss jedoch vermieden werden.

Diese Publikation erfolgte mithilfe von Fördergeldern von der Dr. Rolf M. Schwiete-Stiftung sowie von der Friedrich Flick-Förderungsstiftung.

Dr. med. Britt Beckmann1, Dr. Stefanie Scheiper-Welling1, 2, Dr. Tina Jenewein1, 2, Prof. Dr. Silke Kauferstein1, 3

Zentrum für plötzlichen Herztod und familiäre Arrhythmiesyndrome, Universitätsklinikum Frankfurt, Institut für Rechtsmedizin – Forensische Molekularpathologie, Kennedyallee 104, 60590 Frankfurt, Fon: 069 6301-87119, E-Mail: beckmann@med.uni-frankfurt.de

Institut für Rechtsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe-Universität, Frankfurt am Main

Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie, DRK Blutspendedienst, Abteilung für Molekulare Diagnostik, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt am Main

Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauferkrankungen (DZHK), Partner Site Frankfurt, 60596 Frankfurt am Main

Die Literaturhinweise finden Sie hier.

Multiple Choice-Fragen

Die Multiple Choice-Fragen zu dem Artikel „Der plötzliche Herztod in jungem Alter“ von Dr. med. Britt Beckmann et al. finden Sie im Mitglieder-Portal sowie in der PDF-Version dieses Artikels (Button „PDF Download“). Die Teilnahme zur Erlangung von Fortbildungspunkten ist ausschließlich online über das Mitglieder-Portal vom 25. Oktober 2023 bis 24. April 2024 möglich. Die Fortbildung ist mit zwei Punkten zertifiziert. Mit Absenden des Fragebogens bestätigen Sie, dass Sie dieses CME-Modul nicht bereits an anderer Stelle absolviert haben. Dieser Artikel hat ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Nach Angaben der Autoren sind die Inhalte des Artikels produkt- und/oder dienstleistungsneutral, es bestehen keine Interessenkonflikte.