Berlin bietet seit Juni eine kostenlose Analyse von Drogen an. Das Modellprojekt verzeichnet eine so starke Nachfrage, dass viele Interessierte abgewiesen werden müssen. Auch Hessen will Drugchecking anbieten – beschränkt auf Partydrogen und unter wissenschaftlicher Begleitung. Die Vermittlung des Ergebnisses der Überprüfung soll stets mit einem Beratungsgespräch verbunden sei. Der Bund hat jetzt die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Das Hessische Ärzteblatt bat Dr. med. Siegmund Drexler, Drogen- und Suchtbeauftragter der Landesärztekammer Hessen, um eine Einschätzung.

Herr Dr. Drexler, Hessen will ein Projekt Drugchecking starten. Eine gute Idee?

Dr. med. Siegmund Drexler: Ja. Aber die Frage ist, wer erreicht werden soll. Zu vermuten ist, dass es vor allem gebildete Drogennutzer sind, die finanziell dazu in der Lage sind. Die sich mehrere Trips gekauft haben und einen davon für den Check abgeben können.

Hessen hat bei dem Projekt speziell die Partygänger im Fokus, die psychoaktive Substanzen einnehmen. In Berlin ist das Projekt breiter angelegt, bezieht auch Cannabis ein. Ist dieser Ansatz besser?

Drexler: Ja, insbesondere im Cannabisbereich hat ja die THC-Konzentration in den vergangen Jahren massiv zugenommen – in den vergangenen 20 Jahren bis zum Dreifachen. Das hat nichts mehr zu tun mit dem Joint von früher, dessen sind sich viele nicht bewusst. Auch nicht, dass die psychischen Folgen schon bei einem einzigen Konsum auftreten können: Vergiftungen, Psychosen, Behinderungen der Hirnreife.

Bei psychoaktiven Substanzen wie LSD & Co. haben die Wirkstoffkonzentrationen ebenfalls stark zugenommen. Wir hatten jüngst das Beispiel, wo in Ostdeutschland eine 13-Jährige zu Tode gekommen ist.

Drexler: Auch da nimmt es zu. Und es ist völlig undurchsichtig, was auf dem Markt verkauft wird. Unsere Kenntnisse stammen ja nur von aufgegriffenen Dealern. Eine breite Datenbasis haben wir nicht.

Die soll das Drugchecking ja auch liefern. Über die Ergebnisse der Untersuchungen werden nicht nur die User informiert, sondern sie werden auch im Netz veröffentlicht – als Warnung für alle. Wo sehen Sie den gesundheitlichen Benefit?

Drexler: Der besteht für jeden, der Drogen bewusst als Teil seines Lebensstils konsumiert, sie nimmt, um zu tanzen, oder zum angeblichen Steigern der Gefühle des sexuellen Erlebniswerts. Wer Drogen nimmt, weil er abhängig ist oder weil es zur Gruppe gehört, der wird potenziell nicht erreicht.

Ist es Aufgabe des Staats, so einen Check zu finanzieren?

Drexler: Es ist richtig. Aber eigentlich kann es nicht Aufgabe eines Staats sein, ein Recht auf Rausch zu fördern. Drogen sind in jeder Form eine Gesundheitsgefahr. Trotzdem werden und wurden in jeder menschlichen Gesellschaft Drogen konsumiert. Das gehört irgendwie zum Menschsein dazu.

Der Staats verdient doch auch an Drogen. Ist das besser?

Drexler: Keineswegs. Jetzt wird auch noch das Geschäft mit Cannabis angekurbelt. Es werden Investoren für Plantagen gesucht. Das fördert das Steuereinkommen. Der Staat macht damit ein Geschäft.

Aber am Drugchecking verdient der Staat nicht, sondern kontrolliert die Qualität aus gesundheitspolitischen Gründen. Ist das eine Verharmlosung?

Drexler: Definitiv. Und janusköpfig. Vordergründig geht es um das Verhindern medizinischer Notfälle. Andererseits nimmt der Staat bei Cannabis, Nikotin oder auch Alkohol unglaubliche Steuersummen ein. Pro Jahr werden etwa 12.000 Neugeborene in Deutschland mit alkoholbedingten Schädigungen des Nervensystems geboren. Weil die Mütter in der Schwangerschaft getrunken haben. Und wir sagen, wir machen ein Beratungsgespräch beim Drugchecking. Das ist zu wenig. Wir brauchen den Ausbau präventiver Angebote und im suchttherapeutischen Bereich. Und wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs darüber, wie unser Land mit den Folgen des Drogenkonsums umgeht.

Interview: Jutta Rippegather

Hilfe bei Suchtproblemen für Berufsangehörige – individuell, unbürokratisch, vertraulich:

Wenn Sie oder Mitarbeiter betroffen sind, können Sie sich sofort – auf Wunsch auch anonym – an die Drogen- und Suchtbeauftragten der Landesärztekammer Hessen wenden. Alle Angaben werden vertraulich behandelt und unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. Die beiden Drogen- und Suchtbeauftragten, Dr. med. Siegmund Drexler und sein Stellvertreter Dr. med. Mathias Luderer, sind mittwochs und donnerstags über Fon 069 97672-149 (Miriam Mißler) erreichbar oder per E-Mail: suchtbeauftragter@laekh.de