Junge Ärztinnen und Ärzte fordern mehr Weiterbildung
Die Corona-Welle rollt auf uns zu. Im Gegensatz zu Italien hat Deutschland zum Glück ausreichend Zeit, um die Krankenhäuser darauf vorzubereiten. Diese Vorbereitungszeit wird je nach Haus früher oder später, aber im Großen und Ganzen recht konsequent genutzt. Szenarien wurden durchgespielt, Notfallpläne erstellt, neue Dienstpläne ausgearbeitet. Immer mehr wird über den Krankheitsablauf bekannt, insbesondere die oft rasch einsetzende Hypoxämie mit der Notwendigkeit der zügigen und sicheren Intubation und Narkoseeinleitung. Am besten als Rapid Sequence Induction ohne Bebeuteln, da die Gefahr der Aerosolbildung zu hoch ist und die dafür nötige Schutzausrüstung in fast keinem Haus verfügbar ist. Beim weiteren Durchspielen der Szenarien wurde aber schnell klar: Wer unter den diensthabenden Ärztinnen und Ärzten kann das? Wer kann überhaupt ein Beatmungsgerät bedienen? Rasch zeigte sich, dass das außer ein paar sehr erfahrenen Ärzten in Weiterbildung (ÄiW) eigentlich keiner beherrscht. Schnell wurden, wie in vielen deutschen Kliniken, Beatmungs-Crashkurse eingeleitet, den ÄiW die Durchführung einer Intubation und Narkoseeinleitung in kurzen und groben Zügen erklärt.
Traurigerweise ist das ein Zustand, den wir Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung uns im Alltag meistens nur wünschen können. Viele von uns verbringen die Zeit unserer WEITERBILDUNG damit, die Stationen und Notaufnahmen zu besetzen und dank Kosten- und Zeitdruck so viele Patienten wie möglich aufzunehmen und zu entlassen, am besten ohne zu meckern („die Generation Y ist ja faul“) und ohne Überstunden.
Die Zeit für die eigentliche Weiterbildung ist längst wegrationalisiert. Häufig genug zählen essenzielle Kurse wie der Intensivmedizinkurs oder ein Sonographiekurs nicht mehr zum Pflichtprogramm und müssen aus eigener Tasche und in der Freizeit absolviert werden. Gerade in chirurgischen Fächern ist es oft der völligen Willkür des ausbildenden Arztes überlassen was ein Assistenzarzt lernt und was nicht. Jeder von uns kennt Kollegen, die die Facharztprüfung ablegen, ohne den Großteil des Weiterbildungskatalogs absolviert zu haben, geschweige denn, zu beherrschen.
Daher wäre es wünschenswert, wenn diese Krise auch als Weckruf dient. Weg von dem Zusammensparen eines systemrelevanten Gebiets, hin zu mehr Qualität im Gesundheitswesen. Weg von der Individualität der Ausbildung, hin zu einer einheitlichen und fundierten Ausbildung aller Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung. Weg von der „Kopf einziehen und nichts sagen, sonst unterschreibt der Chefarzt mir den Weiterbildungskatalog nicht“-Mentalität. Denn gerade jetzt in der Krise fällt auf: Ohne gut ausgebildetes Personal geht es nicht.
Dr. med. Johannes Patze
Zum Autor: Dr. med. Johannes Patze (30) ist Mitglied im Netzwerk „Junge Ärzte“ im Marburger Bund, das sich für bessere Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung einsetzt. Er hat in Marburg Medizin studiert. Nun absolviert er eine Weiterbildung in Innerer Medizin in Frankfurt/Main. Kontakt per E-Mail: jopatze@gmx.de.
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