VNR: 2760602020271280007

Dr. med. Georg Fröhlich, Dr. med. Kai Schorn, Dr. sc. hum. Heike Fröhlich

Dieser Beitrag ist ein Nachdruck aus der Zeitschrift „Der Internist“, Ausgabe 1/2020 und erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Springer Verlages. Als CME-Fortbildung erscheint der Beitrag exklusiv im Hessischen Ärzteblatt.

Zusammenfassung

Dyspnoe ist eines der häufigen Symptome, welches zu einem Hausarztbesuch führt. Die Herausforderung für den Hausarzt besteht in der korrekten Differentialdiagnose. Leitlinien zu Dyspnoe existieren nicht. Dieser Übersichtsartikel gibt einen Überblick zu den ursächlichen Krankheitsbildern, zeigt Wege der Anamnese und Differentialdiagnose auf und schildert die Rolle des Hausarztes in der Primärversorgung der Dyspnoe.

Einleitung

Dyspnoe ist eines der häufigsten Symptome, weshalb Patienten in der Regel als erstes einen Hausarzt aufsuchen. Zwar sind in den meisten Fällen pulmonale und/oder kardiale Krankheiten ursächlich, dennoch kann eine Diagnosestellung eine Herausforderung sein. So müssen mehrere Differentialdiagnosen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Komorbiditäten überprüft und in Betracht gezogen werden. Zu Grunde liegende Ursachen reichen von meist einfachen ungefährlichen und selbstlimitierenden bis hin zu akut lebensbedrohlichen Erkrankungen, welche im Notfall eine umgehende medizinische Folgebehandlung erforderlich machen.

Sofern eine Primärdiagnose getroffen und eine Initialtherapie begonnen wurde, sollten die Patienten regelmäßig den Hausarzt aufsuchen, um den Erfolg bzw. Verlauf zu kontrollieren und um die Therapie ggf. anzupassen oder eine Facharztkonsultation auszuloten. Somit ist auch verständlich, dass fachärztliche Kollegen wie Pneumologen oder Kardiologen, bzw. die Notaufnahmen vor allem von solchen Patienten aufgesucht werden, deren Symptomatik und Beschwerden sich als sehr stark und belastend präsentieren, die sich unter der initial eingeleiteten Therapie nicht gebessert haben oder bei denen eine schwere Krankheit vermutet wird.

Aktuell existiert keine Leitlinie in Deutschland, die einen Algorithmus für die Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Dyspnoe beschreibt. Die Studienlage bei Patienten mit Dyspnoe ist im ambulanten Setting im Vergleich zum Krankenhaus rar. Aus diesem Grund soll diese Arbeit den behandelnden Hausärzten einen Überblick über die Symptomatik Dyspnoe sowie die möglichen Ursachen und die Möglichkeiten der Therapie geben. Auch beschäftigt sich dieser Übersichtsartikel mit dem Spezialfall der Dyspnoe bei onkologischen Patienten.

Hintergrund

Dyspnoe (auch umgangssprachlich Atemnot oder Luftnot genannt) wird als „subjektiv unangenehme Wahrnehmung des Atmens, die sich aus qualitativ umschriebenen Empfindungen von unterschiedlicher Intensität zusammensetzt“ beschrieben. Diese Wahrnehmung wird von einem komplexen Zusammenspiel physischer, psychischer, sozialer und umweltbedingter Faktoren beeinflusst und kann ihrerseits physiologische und verhaltensbezogene Reaktionen hervorrufen [46] .

Generell ist das Atmen ein automatischer Vorgang, der in Ruhe ohne bewusste Wahrnehmung und ohne unangenehmes Gefühl stattfindet. Dies ändert sich erst dann, wenn bspw. kardiale, pulmonale, psychische und andere Erkrankungen dies beeinträchtigen, es folglich zu einer Dyspnoe (auch Atemnot genannt) kommt.

Dyspnoe ist eines der häufigsten und gleichzeitig eines der schwierigsten und insbesondere im Vergleich zu anderen Symptomen wie Schmerz am wenigsten verstandene Symptom. Die Pathophysiologie der Dyspnoe besteht aus einer komplexen Interaktion von multiplen Signalen, zum einen vom zentralen, aber auch vom autonomen Nervensystem, des Hirnstamms und des Motorkortex sowie einer Vielzahl von Rezeptoren der oberen Atemwege, Lunge und Brustwand, ohne dass ein singulärer Mechanismus die Symptomatik zu erklären vermag (siehe Abb. 1, [40]). Häufigste Ursachen sind kardial und pulmonal.

Das im Hirnstamm lokalisierte Atemzentrum und der sensorische Kortex erhalten dabei afferente Signale von Chemo- und Mechanorezeptoren. Die peripheren und zentralen Chemorezeptoren in der Arteria carotis, im Aortenbogen und im Hirnstamm registrieren den pCO2, pH und den pO2. In den Atemwegen, dem Lungenparenchym und der Thoraxwand erfassen vom Nervus vagus innervierte Dehnungs- und Mechanorezeptoren kontinuierlich Veränderungen der Lungenvolumina, Lungendrücke und Atemwegsflüsse und übermitteln diese Informationen an das zentrale Nervensystem. Informationen aus Trigeminusrezeptoren in den oberen Atemwegen können beispielsweise durch Zufuhr von kalter Luft durch Verlängerung der Atemanhaltezeit das Gefühl von Dyspnoe reduzieren. Demgegenüber verstärken sog. vagale Irritanzrezeptoren bei Erhöhung des bronchialen Muskeltonus das Empfinden von Atemnot. Alveolarkapillar-nahe unmyelinisierte C-Fasern werden durch chemische wie mechanische Reize aktiviert und limitieren als sog. J-Reflex bei maximaler körperlicher Anstrengung, lokaler Entzündung wie auch bei beginnendem Lungenödem die Leistungsgrenze. Rezeptoren an der Thoraxwand liefern aus Muskelspindeln, Gelenken und Sehnen Informationen über Dehnung und Krafteinwirkung. Vom motorischen Atemzentrum im Hirnstamm ausgehend werden Efferenzen unter anderem an die Atemmuskulatur übermittelt und ein inspiratorischer Luftfluss ausgelöst. Im Rahmen einer neuromechanischen Dissoziation stimmen diese efferenten neuronalen Signale nicht mehr mit der respiratorischen Anpassung überein, was bei dem Betroffenen ein Gefühl von Dyspnoe hervorruft.

Dyspnoe ist aber auch bei intensiver und maximaler körperlicher Anstrengung als normaler Hinweis des Körpers auf die Leistungslimitierung und nicht als Bedrohung zu sehen. Wenn jedoch die Ursache nicht klar ist oder in einer schweren Erkrankung gesehen wird, wirkt Dyspnoe bedrohlich und lässt ein Empfinden von Angst entstehen, was eine emotionale Belastung sein kann.

Darüber hinaus können aufgrund der engen Beziehung zum limbischen System Umwelteinflüsse aber auch kognitive wie emotionale Faktoren wie Angst, Einsamkeit, Anspannung oder Traurigkeit auch im Sinn eines circulus vitiosus eine oft negativ verstärkende Wirkung auf Atemnot haben und diese unterhalten [58] .

Es gibt gute Evidenz, dass sich selbst bei Gesunden experimentell unterschiedliche Empfindungen von Atemnot wie Lufthunger oder Engegefühl z. B. durch Hypoxie, Hyperkapnie oder erhöhte inspiratorische Widerstände induzieren lassen [4] . Zum Teil ist es herausfordernd, die akute von der chronischen Dyspnoe abzugrenzen. Dies ist gerade im hohen Alter besonders schwer, da die Patienten bereits stark körperlich eingeschränkt sind und das Fortschreiten der akuten Dyspnoe zunächst nicht bewusst wird und als „normaler“ Alterungsprozess fehlinterpretiert wird.

Aus Ermangelung klarer objektivierbarer Parameter bereitet die Einteilung des Schweregrads der Dyspnoe dem Arzt regelhaft Schwierigkeiten. Zur Darstellung der Intensität der Dyspnoe sollte am besten eine visuelle Analogskala oder die sogenannte Borg-Skala eingesetzt werden. Sie kategorisieren die Atemnot zwischen 0 (keine Beschwerden) bis 10 (maximale Beschwerden) [3] . Dabei kann die Borg-Skala in Verbindung mit einem Sechs-Minuten Gehtest modifiziert werden. Hier ist jedoch die Eindimensionalität, das heißt die ausschließlich subjektive Beschreibung der Dyspnoe bei der Erfassung problematisch. Demgegenüber versucht die Dyspnoe Skala der American Thoracic Society (ATS) [46] das Ausmaß bestimmten Tätigkeiten, bei denen Luftnot auftritt, im Sinne einer Belastungsabhängigkeit, zuzuordnen (siehe Tab. 1).

Tab.: 1: Graduierung der Dyspnoe [46]

Grad

 

Beschreibung

0

Keine Dyspnoe

Keine Beschwerden beim raschen Gehen in der Ebene oder leichtem Anstieg, außer bei deutlicher körperlicher Anstrengung

1

Milde Dyspnoe

Kurzatmigkeit bei raschem Gehen in der Ebene oder leichtem Anstieg

2

Mäßige Dyspnoe

Kurzatmigkeit. In der Ebene langsamer als

Altersgenossen, Pausen zum Atemholen auch bei eigenem Tempo

3

Schwere Dyspnoe

Pausen beim Gehen nach einigen Minuten oder nach etwa 100 Metern im Schritttempo

4

Sehr schwere Dyspnoe

Zu kurzatmig, um das Haus zu verlassen. Luftnot beim An- und Ausziehen

85 % der Fälle sind auf kardiale und pulmonale Ursachen wie chronische Herzinsuffizienz, Asthma bronchiale, COPD, interstitielle Lungenerkrankungen, Pneumonien oder psychische Störungen zurückzuführen [65] . Dennoch ist zu bedenken, dass die Zuordnung durch die multifaktorielle Genese der Symptome erschwert werden kann, da mehrere Ursachen zeitgleich vorliegen können.

Eine Übersicht über die häufigsten in Frage kommenden Ursachen der akuten Dyspnoe bei Erwachsenen ist in Tab. 2 aufgelistet [38] .

Tab. 2: Ursachen für Dyspnoe im Allgemeinen [38]

Organsystem

Häufige Ursachen der akuten Dyspnoe

Kardial

Herzinsuffizienz, koronare Herzerkrankung und akute myokardiale Ischämie, Herzklappeninsuffizienzen oder -stenosen,Herzrhythmusstörungen, Perikarditis

Pulmonal

Chronisch obstruktive pulmonale Erkrankung COPD, Asthma bronchiale, Pneumonie, akute Bronchitis, Pneumothorax

Psychisch

Panikattacken, Hyperventilation, Schmerzen, Angstzustände

Zentrales Nervensystem

Neuromuskuläre Erkrankungen, Schmerzen

Endokrin

Metabolische Azidose

Sonstiges

Anämie, Medikamente, Adipositas

Kinder

Akutes Asthma bronchiale, pulmonale Infektionen, obere Atemwegsobstruktionen, Krupp, Epiglottitis, Fremdkörperaspiration

 

Epidemiologie

In der hausärztlichen Medizin ist die Dyspnoe ein häufiges klinisches Leitsymptom: ca. 1 %bis 4 % der Patienten nennen Luftnot als Grund für einen Hausarztbesuch [12, 22, 63] . In einer Beobachtungsstudie aus Sachsen war Dyspnoe bei über 65-Jährigen nach Husten und Rücken-/Gelenkschmerzen unter den fünf häufigsten Gründen für eine akute Hausarztkonsultation [21] . Ferner konnte Magnussen in einer Befragung bei Allgemeinmedizinern in Deutschland zur Prävalenz respiratorischer Symptome feststellen, dass diese im Sinne einer „chronischen Dyspnoe“ in ca. 25 % der befragten Fälle vorlagen [37] . Für Menschen im mittleren und höheren Alter ist die Prävalenz mit rund 30 % sogar noch etwas höher [14] .

In deutschen Facharztpraxen (Pneumologen und Kardiologen im Speziellen) liegt der Anteil der Patienten mit chronischer Dyspnoe sogar noch um einiges höher [18]. Dies lässt sich aber durch den Schwerpunkt der Fachdisziplin erklären. Noch häufiger ist die Dyspnoe in Notaufnahmen in deutschen Krankenhäusern zu finden: es wird von einer Prävalenz der Patienten mit Dyspnoe von etwas mehr als 7,4 % ausgegangen [41] .

 

Anamnese und Diagnostik

In der hausärztlichen Sprechstunde ist die Anamnese ein zentraler Pfeiler der Diagnostik. Es ist hier sicherlich ein unschätzbarer Vorteil, dass der Hausarzt in der Regel „seine“ Patienten und deren private wie medizinische Situation kennt.

Beim Erstkontakt ist es Aufgabe des Hausarztes zum einen zu differenzieren, ob es sich um eine akute oder eine chronische Dyspnoe handelt, und zum anderen zu prüfen, ob diese sich aus der Krankheitshistorie erklären lässt oder es eine neue Erkrankungsursache gibt. Es gilt zunächst die akute von der chronischen Form der Dyspnoe zu unterscheiden, wobei im Allgemeinen chronisch definiert ist, als dass sich die akute Situation zeitnah verschlechtert hat. Ferner gilt es, den Schweregrad zu erfassen, um ggf. sogar vital bedrohliche Gefahren abzuwenden und akute auch symptomlindernde Maßnahmen einzuleiten.

In der Anamnese der Dyspnoe sind auslösende Faktoren zu erfragen, die Qualität, d.h. das Empfinden mit eigenen Worten sollte widergegeben und die Dauer der Beschwerden genauer erläutert werden. Hier ist im Speziellen gezielt nach vorangegangenen respiratorischen Infekten, Fieber, Gewichtsverlust, Vorerkrankungen wie Herzerkrankungen (vorausgegangener Myokardinfarkt, Herzklappenerkrankung, Herzinsuffizienz, Interventionen wie Schrittmacheranlage, diagnostische Lungenbiopsie, koronare Stentimplantation) oder Tumorerkrankungen oder nach psychischen Leiden zu fragen.

Insbesondere ist es bei der Erstanamnese relevant, den zeitlichen Verlauf der Dyspnoe eingrenzen zu können. Außerdem ist eine Medikamentenanamnese einzuholen. Ferner ist die sorgfältige Erfassung von Inhalationsnoxen wie Nikotin oder evtl. Exposition gegenüber Stäuben und Tierkontakten sowie der Berufs- und Familienanamnese mit Erfragen von Hobbys oder Freizeitaktivitäten relevant und führt mitunter entscheidend zum Erkenntnisgewinn.

Generell ist das Empfinden der Dyspnoe und deren Einschränkung sehr subjektiv. Die Herausforderung des behandelnden Arztes ist es, dies zu objektivieren. D. h. der Arzt sollte die „Sprache der Dyspnoe“ verstehen, also aus den Schilderungen des Patienten heraus auf mögliche zu Grunde liegende Pathomechanismen zu schließen, da unterschiedliche Verbalisierungen der Dyspnoe unterschiedlichen Erkrankungen zugeordnet werden können [50] : So berichten Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) neben Lufthunger ein Gefühl von Ersticken und gesteigerte Atemarbeit, wohingegen Asthmatiker ungenügende Ausatmung, Erstickungsgefühl, Lufthunger und Engegefühl angeben. Herzinsuffiziente Patienten verbalisieren ihre Atemnot in Dekompensationsphasen als Erstickungsgefühl verbunden mit Lufthunger und neuromuskulär Erkrankte berichten über eine erhöhte Atemarbeit in Verbindung mit flacher Atmung [17, 54] .

Außerdem sollte der Behandler gezielt nach Begleitsymptomen (z. B. Husten, thorakaler Druck, Fieber, Unterschenkelödeme etc.) fragen und deren Atem-, Lage- und Bewegungsabhängigkeit ausloten. Auch Fragen, wie sich die Dyspnoe in ihrer Intensität und Auslösbarkeit in der Vergangenheit entwickelt hat (Beispiel: Belastungsdyspnoe, ob gleichzeitig ein retrosternaler Druck auftritt u. a.) sind wichtig. So empfehlen sich die sieben Fragen orientierend nach Ewert und Gläser zu nutzen [19]: bei Belastung (a) oder in Ruhe (b) Luftnot, abends geschwollene Beine (c), häufiges nächtliches Wasserlassen (d), chronische Lungen-/Herzerkrankung bekannt (e), andere Erkrankungen (z. B. Lungenarterienembolie, Blut-/Lebererkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck) bekannt (f), Allergie/Nikotin (g). Zur Erfassung und Differenzierung von chronischer Dyspnoe, um etwaige Diagnosen weitgehend auszuschließen oder unwahrscheinlicher zu machen. Durch diese sieben Fragen konnte in internistischen Praxen in Kombination mit anamnestischen Angaben in 75 % der Fälle eine ausreichende Erklärung der chronischen Dyspnoe zu finden [18] .

Sofern ein psychisches Problem ursächlich für eine Dyspnoe sein kann, empfiehlt es sich in der Anamnese beispielsweise den „Patient Health Questionaire 2“ (PHQ-2) zu nutzen. Dieser ist mit nur zwei Fragen an den Patienten einfach und schnell in der Anamnestizierung durchzuführen. Zum einen wird nach Gefühlen der Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung oder Depression sowie zum anderen nach Interessen- und Freudlosigkeit gegenüber Dingen, die gewöhnlich Spaß bereiten, gefragt [36]. Die nachfolgende Tab. 3 gibt einen Überblick über die wichtigsten Anamnesekriterien bei der Begutachtung von Patienten mit Dyspnoe.

Tab. 3: Überblick zur Darstellung der wichtigsten Anamnesekriterien

Zeitlich

Umstände des Auftretens

Ursächlich zugrunde liegende Störung bzw. Grunderkrankung

• Akut oder chronisch

• In Ruhe oder unter Belastung (körperlich/psychisch)

• Kardial

• Intermittierend, anfallsweise oder permanent

• In Abhängigkeit von Körperposition

• Pulmonal

 

• langsam/plötzlich

• Onkologisch

  

• Fettstoffwechselstörung, z. B. aufgrund von Adipositas

 

Körperliche Untersuchung

Nach der zunächst reinen Befragung des Patienten erfolgt im weiteren Verlauf der Anamnese die körperliche Untersuchung: Ziel einer initialen körperlichen Untersuchung ist die Erhebung der Atemfrequenz, die Beurteilung der Atemtiefe und des Gebrauchs von Atemhilfsmuskulatur, des Bewusstseinszustand und der Fähigkeit zu sprechen, um sich so ein genaueres Bild von der Dyspnoe-bedingenden Erkrankung des vorstelligen Patienten zu machen. So ist beispielsweise ein inspiratorischer Stridor ein Indikator für eine obere extrathorakale Atemwegsobstruktion und gestaute Halsvenen sind hinweisend auf ein Cor pulmonale mit Herzinsuffizienz. Durch Palpation des Thorax lässt sich ein subkutanes Emphysem mit Krepitation als Hinweis auf einen Pneumothorax finden, der sich in der Perkussion als hypersonor darstellt. Demgegenüber findet sich bei einem Pleuraerguss ein hyposonorer Klopfschall mit aufgehobenem Atemgeräusch. Rasselgeräusche finden sich bei einem Lungenödem und einer Pneumonie. In der Untersuchung des Abdomens ist eine Hepatomegalie ebenso wie Aszites und positiver hepatojugulärer Reflux ein möglicher Hinweis auf eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz.

Die Tab. 4 listet alle empfohlenen Untersuchungsschritte auf [71] .

Tab. 4: Initiale körperliche Untersuchung bei Dyspnoe [71]

• Beurteilung der Durchgängigkeit der Atemwege und Abhören der Lunge

• Beobachten des Atemverhaltens, einschließlich dem Gebrauch von Hilfsmuskulatur

• Prüfen des Herzrhythmus’

• Messen der Vitalzeichen und Pulsoxymetrie

• Bezug auf eine vorausgegangene kardiale oder pulmonale Erkrankung oder ein Trauma

• Beurteilung des psychischen Zustands

 

Exkurs:

Im australischen BEACH Studienprogramm [16] gab nur ein Drittel der Patienten, die sich wegen Dyspnoe bei ihrem Hausarzt vorstellten, an, keine weiteren Begleitsymptome neben der Dyspnoe zu bemerken. Dies bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit weitere Beschwerden und körperliche Auffälligkeiten vorwies. 16,9 % der Fälle wiesen dabei Husten als häufigstes Mitsymptom auf. Brustschmerz, Schwäche und Müdigkeit, pfeifendes/ keuchendes Atemgeräusch oder Unterschenkelödeme waren in 5,0, 3,5, 2,4 bzw. 1,8 % der Fälle ein Begleitsymptom.

Im letzten Schritt ist es die Aufgabe des behandelnden Hausarztes von den Symptomen und den oben genannten weiteren Ergebnissen der körperlichen Untersuchungen Rückschlüsse auf die mögliche Diagnose zu schließen. So sind typische Untersuchungsergebnisse bei Patienten mit Dyspnoe beispielsweise auffällige Herzgeräusche, Carotiden, Beinödeme (ein/beidseitig), charakteristische Lungenauskultationsbefunde (z. B. trockene Rasselgeräusche bei obstruktiven Atemwegserkrankungen, Knisterrasseln bei Lungenfibrose), Zyanose, Thoraxdeformitäten, Hautveränderungen (z. B. Teleangiektasien, Trommelschlegelfinger und Uhrglasnägel). Gleichzeitig können Symptome wie ein Galopprhythmus bei Herzinsuffizienz, ein gespaltener zweiter Herzton, ein Perikard-reiben oder ein erhöhter rechtsatrialer Druck aufgrund von Halsvenenstauung, Unterschenkelödeme oder Aszites die künftige apparative Diagnostik determinieren.

Der behandelnde Hausarzt sollte außerdem zwischen stabilen und instabilen Patienten mit Dyspnoe unterscheiden: Instabile Patienten weisen typischerweise eine Hypotension, einen reduzierten Bewusstseinszustand, eine Hypoxie, eine instabile Herzrhythmusstörung, einen Stridor oder eine ineffektive Atembewegung auf und nutzen in den meisten Fällen stärker die Atemhilfsmuskulatur. Diese bedürfen (im Gegensatz zu stabilen Patienten mit Dyspnoe) eine sofortige notfallmedizinische und ggf. stationäre Behandlung. Ferner sind auch Atemfrequenzen > 40/min, Einziehungen, Zyanose oder drohende klinische Erschöpfung Alarmzeichen für den Arzt, die ein sofortiges Handeln erfordern.

Die folgende Tab. 5 gibt eine Übersicht zu den Häufigkeiten der o.g. Diagnosen von Patienten, die wegen Dyspnoe eine Hausarztpraxis aufsuchten, aus drei verschiedenen Kohortenstudien.

Tab. 5: Übersicht der Vorstellungsgründe in der Hausarztpraxis

SESAM-2 (22) mit n = 93 plus 7.644 aus „Dutch Transition Project“ (Land: Deutschland und Niederlande)

BEACH (16) mit n = 7.255 (Land: Australien)

BEACH (12) mit n = 5.200 (Land: Australien)

Akute Bronchitis (24,7 %)

COPD (10,4 %)

Asthma (21,0 %)

Obere Atemwegsinfektionen (9,7 %)

Asthma (9,6 %)

COPD/chronische Bronchitis (19,2 %)

Asthma bronchiale & COPD (jeweils 5,4 %)

Herzinsuffizienz (9,4 %)

Herzinsuffizienz (18,2 %)

Herzinsuffizienz (5,4 %)

Hypertensive

Entgleisung (4,1 %)

Andere kardiovaskuläre

Erkrankungen (12,5 %)

Chronische Bronchitis & Hypertension (jeweils 4,3 %)

Akute Bronchitis (4,0 %)

Einfache (meist virale) Atemwegsinfekte (11,3 %)

Pneumonie (3,2 %)

Ischäm. Herzkrankheit/KHK (3,0 %)

Psychosomatische Gründe (3,4 %)

 

Angststörung (2,1 %)

 

Gleichzeitig ist dem systematischen Review von Viniol et al. zu entnehmen, dass bei insgesamt 8,6 bis 18,9 % aller Patienten, welche mit Dyspnoe primärärztlich vorstellig werden, keine klare Diagnose gestellt werden kann [63] . Die Unterschiede lassen sich durch die starke Studienheterogenität hauptsächlich erklären: Dies ist nach Viniol et al. zum einen auf die differente Altersstruktur der jeweiligen Studienpopulation, zum anderen aber auch neben der unterschiedlichen diagnostischen Strategie auf die unterschiedliche Beschwerdedauer und –intensität zurückzuführen. Außerdem finden sich innerhalb der Studien Differenzen bzgl. der Kategorisierung „COPD/chronische Bronchitis“, „Asthma/Allergie“ sowie „Herzinsuffizienz“.

Abschließend lässt sich die Unschärfe der Ursachenzuteilung darauf zurückzuführen, dass die Diagnostik in den einzelnen Studien klinisch und nicht standardisierten Kriterien unterlag. Beispielhaft sind hier die Studien von Currow et al. [16] und Charles et al. [12] aufgeführt, die beide dem australischen BEACH-Programm entstammen: Currows Rekrutierungsphase dauerte im Gegensatz zu der von Charles et al. mit 9 Jahren um 3 Jahre länger und schloss im Gegensatz zu Charles et al. Patienten unter 18 Jahren aus.

Eine Herausforderung bei der Diagnosefindung liegt v. a. in dem stark subjektiven Charakter der Dyspnoe. Patienten beschreiben das Symptom zum Teil sehr unterschiedlich und nehmen die dadurch bedingte Einschränkung im Alltag auch verschieden wahr. Zur genauen Differentialdiagnose empfiehlt es sich, strukturierte Fragen zu nutzen, um so Qualität und Quantität der Dyspnoe zu objektivieren. Denn die in der Medizin häufig zur Objektivierung genutzten Parameter wie Atemfrequenz, Lungenfunktionsparameter, Laborwerte oder Sauerstoffgehalt des Blutes weisen nur eine unzureichende Korrelation mit der Symptomatik auf und sind deshalb nicht geeignet für die Erfassung der Atemnot .

Relativ eindeutig ist es dagegen für den Arzte, wenn eine vitale Bedrohung für den Patienten vorliegt, beispielsweise bei Koma oder Verwirrtheitszuständen, schwerer Zyanose, Sprechdyspnoe, Kaltschweißigkeit, inspiratorischer Stridor und drohender respiratorischer Erschöpfung durch Einsatz der Atemhilfsmuskulatur und inspiratorische Einziehungen vor.

Bei der Differentialdiagnose ist die Erhebung des Beginns des Auftretens, Dauer und Fortbestehen in Ruhe oder Zunahme unter Belastung ist ebenso von hoher Relevanz wie das Erfragen nach Husten, was einen Hinweis auf eine Pneumonie, akute Bronchitis oder ein Asthma sein kann. Eine begleitende Veränderung des Sputum-Charakters und dessen Menge mag hinweisend für eine exazerbierte COPD und Fieber ein Ko-Symptom einer Pneumonie sein. Begleitende Brustschmerzen mit Atemnot mögen eine wahrscheinliche Ursache in einer myokardialen oder pleuralen Erkrankung wie Myokardinfarkt oder Pleuritis finden. Dyspnoe oder Tachypnoe mit begleitenden pleuralen Brustschmerzen kommen dabei auch in 97 % der Fälle mit manifester Lungenarterienembolie vor [31] . Im Rahmen dieser Verdachtsdiagnose ist aber auch im Besonderen auf Zeichen einer tiefen Venenthrombose mit Umfangsvermehrung häufig einer Extremität, welche die häufigste Ursache einer Lungenarterienembolie darstellt, zu achten. Symmetrische Unterschenkelödeme oder Nykturie mit vorbekannter kardialer Erkrankung sowie in der klinischen Untersuchung auffallendem Herzgeräusch sind stark hinweisend auf eine Herzinsuffizienz mit Klappeninsuffizienz oder -stenose.

Die Differenzierung hinsichtlich einer kardialen, pulmonalen und psychosomatischen Genese ist insbesondere bei Koinzidenz verschiedener Erkrankungen nicht nur im höheren Lebensalter herausfordernd und stellt den klinisch tätigen Arzt regelhaft vor eine Herausforderung. So ist Dyspnoe bei einer Angststörung oder einer Depression häufig, aber auch organische Ursachen sind nicht zwingend auszuschließen. Beispielsweise kann ein Hyperventilationsyndrom nur nach Ausschluss organischer Korrelate gestellt und behandelt werden [49] .

Außerdem weisen Patienten mit Übergewicht bzw. Adipositas (BMI ≥ 25kg/m2 bzw. 30kg/m2) regelhaft Schwierigkeiten bei der Atmung sowie Dyspnoe auf [26, 56] . Grundlage sind hier v.a. physiologische Veränderungen der Lungenvolumina und -kapazitäten, des Atemflusses, des Gasaustauschs und der Atemmuskulatur [29] .

Auch müssen aber bei Patienten mit Dyspnoe saisonal häufige Krankheiten wie beispielsweise eine Influenza in differentialdiagnostische Überlegungen einbezogen werden. Trotz regelhaft gutem Verlauf können diese Krankheitsbilder einen schweren Verlauf mit Hospitalisation und ggf. intensivmedizinischer Behandlung erforderlich machen [23, 24], weswegen Patienten engmaschig zu reevaluieren sind.

Belastungsdyspnoe wird häufig seitens der Patienten als normale Alterserscheinung interpretiert, sodass die Grunderkrankung mitunter erst in einem fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert wird. Beispielhaft sei hier die pulmonale Hypertonie mit ihren unspezifischen Symptomen der progredienten Belastungsdyspnoe, Müdigkeit und Abgeschlagenheit u. a. erwähnt, bei der häufig Monate bis Jahre bis zur korrekten Diagnosefindung vergehen können. Häufig ist bei mehreren vorliegenden Komorbiditäten nicht eine singuläre Ursache auszumachen, sondern verschiedene Kausalitäten (COPD und Herzinsuffizienz u. a.) tragen zur Symptomatik bei. In der hausärztlich internistischen Praxis werden Patienten mit Dyspnoe in der Regel zu ihrer Ursachenabklärung regelhaft zu weiteren spezialisierten Fachkollegen wie beispielsweise Kardiologen, Pneumologen oder Radiologen überwiesen, bei denen jeweils Einzeldiagnosen oder Ausschlussdiagnosen von einzelnen Organsymptomen in ihrer Beteiligung gestellt werden. Der Zusammenfluss an Informationen und die einzelne Interpretation im Gesamtkontext fällt aber dabei regelhaft in den Bereich des hausärztlich tätigen Kollegen.

In Tab. 6 sind typische Symptome und Untersuchungsergebnisse möglichen

Diagnosen zugeordnet.

Tab. 6: Dyspnoe typische Symptome und mögliche Diagnosen [mod. nach 67]

Indikationsbereich

Symptome bzw. Untersuchungsergebnisse

Mögliche Diagnose

Kardial

(Unterschenkel-)Ödeme, Halsvenenstauung, hepatojugulärer Reflux, feuchte Rasselgeräusche, Nykturie

Herzinsuffizienz, ggf. mit Lungenödem

Herzgeräusch (Systolikum, Diastolikum)

Herzklappenfehler

Angina pectoris, kardiovaskuläre Risikofaktoren (Nikotin, Hypertonie, Diabetes mellitus, Hypercholesterinämie, familiäre Disposition); pathologische ST-Hebungen im EKG

Akute myokardiale Ischämie

Pulmonal

Pfeifendes Atemgeräusch, Giemen, leises Atemgeräusch, Fassthorax, Husten, Raucheranamnese, vermehrtes Sputum

Exazerbierte COPD

Pfeifendes Atemgeräusch, Giemen, leises Atemgeräusch, Pulsus paradoxus, Allergieanamnese

Asthma bronchiale

Pfeifen, Giemen

Akute Bronchitis

Fieber, produktiver Husten, Rasselgeräusche, verstärkter Stimmfremitus, Hypotonie und Tachykardie

Pneumonie, ggf. mit septischem Verlauf

Fehlendes Atemgeräusch, hyposonorer Klopfschall

Pleuraerguss

Fehlendes Atemgeräusch, hypersonorer Klopfschall

Pneumothorax

Schmerzhaft bedingte Einschränkung der Atemexkursion

Thoraxtrauma

Tachykardie, S1-Q3 Typ im EKG, Husten, Zeichen einer tiefen Venenthrombose, positiver Wells-Score

Lungenarterienembolie

„Bellender“ Husten, inspiratorischer Stridor, Brummen, Heiserkeit, subfebrile Temperaturen

Krupp

Stridor, Halsschmerzen, Hypersalivation, Fieber, Dysphagie

Epiglottitis

Sklerosiphonie (trockenes Knisterrasseln), Reizhusten, Trommelschlegelfinger, Cor pulmonale, respiratorische Insuffizienz

Lungenfibrose

Progrediente Belastungsdyspnoe, Müdigkeit, Abgeschlagenheit

Pulmonale Hypertonie

Sonstiges

BMI i. d. R. deutlich > 30 kg/m2, Obesitas Hypoventilations­syndrom

Adipositas

Unruhe, Nervosität, Wärmeintoleranz, arterielle Hypertonie, Arrhythmie, Gewichtsverlust

Hyperthyreose

Kussmaulatmung, Azetongeruch in Exspirationsluft, Durst, Bauchschmerzen

Diabetische Ketoazidose

Parästhesien, Muskelkrämpfe (Chvostek- und Trousseau- Zeichen), Pfötchenstellung der Hände

Hyperventilation (ggf. i. R. einer Panik- oder Angststörung)

Durch verschiedene Trigger perakut ausgelöste asthmaähnliche Symptomatik mit plötzlich intermittierendem innerhalb Minuten selbstlimitierendem Verkrampfen der Stimmbänder

Vocal Cord Dysfunction

Kyphoskoliose

Wirbelsäulenerkrankungen (z. B. M. Bechterew)

Verminderte Muskulatur, Faszikulationen

Neuromuskuläre Erkrankungen (z. B. ALS)

Arzneimittelnebenwirkung (z. B. NSAR oder ASS, Ticagrelor u. a.)

Medikamentös induziert

Abkürzungen: EKG: Elektrokardiogramm, COPD: chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ALS: amyotrophe Lateralsklerose

 

Apparative Diagnostik

Generell gilt in der hausärztlich internistischen Praxis, dass das Ausmaß der apparativen Diagnostik zum einen von deren Verfügbarkeit und zum anderen von der Expertise und Erfahrung des Untersuchers abhängig ist. In dem BEACH Studienprogramm wurden bspw. 17 % aller Patienten, die sich primärärztlich vorstellten, an andere Fachkollegen wie Kardiologen u. a. überwiesen [12]. Blutuntersuchungen und Röntgen-Thoraxuntersuchungen wurden in bis zu 38,2 % der Fälle durchgeführt [12] .

So kommen in der differentialdiagnostischen Abklärung von Dyspnoe in der hausärztlich internistischen Praxis vor allem Bluttests oder Ultraschall, EKG etc. zum Einsatz (siehe Tab. 7).

Tab. 7: Unterschiedliche apparative Untersuchungsmethoden

Labor

Herz

Lunge

Allgem. Bildgebung

Blutbild einschließlich Leber-, Nieren-, Infektwerte, Blutgasanalyse

EKG

Spirometrie

Sonographie von Thorax-/ Pleura, ggf. Echokardiographie

Spez. Biomarker

Ergometrie

 

Röntgen Thorax

 

In der hausärztlichen Medizin sieht sich jedoch der Arzt dem Problem der Zeitlatenz bis zum Erhalt der Ergebnisse gegenüber, da das Ergebnis von Laborwerten häufig erst am Nachmittag oder am Folgetag vorliegt, oder ein weiterer Facharzt hinzugezogen werden muss. Die erstere Problematik kann aber beispielsweise durch Vorhalten von Point-of-Care-Testing (POCT), mit Erhalt der Ergebnisse innerhalb kürzester Zeit umgangen werden. Beispielsweise kann bei Verdacht auf eine Anämie als Ursache von Dyspnoe durch Bestimmung des Blutbildes dies bestätigt oder ausgeschlossen werden. Ferner zählen Elektrolyte, Nieren- und Leberfunktionsparameter als Basiswerte und können bei infektiösem Verdacht um Infektwerte wie C-reaktives Protein (CRP) oder Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) erweitert werden.

So kann beispielsweise durch den Biomarker NT-ProBNP, der mit der NYHA-Klasse und damit mit dem Ausmaß der Dyspnoe korreliert [39] bei einem negativen prädiktiven Wert von rund 95 % bei Negativität eine akute oder akut verschlechterte chronische Herzinsuffizienz ausgeschlossen werden [47, 69] .

Außerdem können positive Troponin und D-Dimere auf eine schwerwiegende myokardiale Schädigung oder Lungenembolie als Ursache einer Dyspnoe hinweisen. Dennoch gilt, dass bei einem Verdacht auf eine Lungenembolie diese laborchemisch nur bei niedriger Vortestwahrscheinlichkeit, also z. B. niedrigem Wells Score (siehe Tab. 8), ausgeschlossen werden kann [34] .

Tab. 8: Wells-Score zur Ermittlung der klinischen Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie [66]

Kriterien

Punkte

Frühere TVT oder LAE

1

Frische Operation oder Immobilisation

1

Tumorerkrankung

1

Hämoptyse

1

Herzfrequenz ≥ 100 Schläge/min

1

Klinische Zeichen einer TVT

1

Alternative Diagnose unwahrscheinlicher als LAE

1

Klinische Wahrscheinlichkeit:

LAE unwahrscheinlich: 0 – 1

LAE wahrscheinlich: >1

Mit Hilfe eines 12-Kanal Ruhe-EKG können Befunde einer strukturellen oder ischämischen Herzkrankheit wie akute Ischämiezeichen oder Q-Zacken und/oder R-Verlust Zeichen eines abgelaufenen Infarktes liefern. Ein STEMI, ein höhergradiger AV-Block oder eine bradykarde oder tachykarde Herzrhythmusstörung wie z. B. eine Tachyarrhythmia absoluta können ebenfalls diagnostiziert werden [27] . Dennoch muss man sich bewusst machen, dass ein normales EKG eine Herzerkrankung nicht sicher ausschließen kann, sie aber mitunter unwahrscheinlicher macht.

Mit Hilfe der in vielen Praxen verfügbaren Ergometrie lässt sich einerseits das Ausmaß der Belastbarkeit abschätzen. Andererseits kann jedoch häufig nicht die Ursache der Leistungseinschränkung objektiviert werden. Eine Spiroergometrie ist zwar als Standardverfahren zur Objektivierung der Belastbarkeit anzusehen, sie ist aber in keiner hausärztlich-internistischen Praxis vorgehalten [44] .

Die Spirometrie und Peak-Flow-Messung sind einfache, schnell durchführbare und kostengünstige Lungenfunktionsuntersuchungen, die ganz wesentlich abhängig von der Mitarbeit des Patienten wie auch von der Instruktion des nichtärztlichen Assistenzpersonals sind. Die Spirometrie erlaubt durch Messung der forcierten Einsekundenkapazität (FEV1) und des Tiffeneau-Index (FEV1/forcierte Vitalkapazität [FVC]) die Detektion einer obstruktiven Ventilationsstörung (FEV1/VC < 0,7) [13] . Dabei kann ein Asthma bronchiale nach Gabe eines schnell wirksamen ß-Mimetikums mit anschließender Reversibilität (Zunahme des FEV1-Wertes > 12 % oder 200 ml) von einer COPD unterschieden werden. Außerdem können Hinweise auf eine restriktive Ventilationsstörung oder Überblähung gewonnen werden.

In der Kombination mit weiteren Untersuchungen (Anamnese, körperliche Untersuchung, Erhebung der Vitalzeichen, Elektrokardiogramm, Blutgasanalyse) kann die Thorax- oder Pleurasonographie gerade bei Patienten mit akuter Dyspnoe sicher zur raschen Diagnosefindung bzw. zum Ausschluss relevanter Differentialdiagnosen beitragen [70] und so das weitere Management steuern. Sie repräsentiert nach der klinischen Untersuchung eine der ersten apparativen Methoden, um effektiv wie wirtschaftlich weitere diagnostische und therapeutische Schritte einleiten zu können. Bereits ab 5–10 ml können kleinste Pleuraergüsse detektiert werden; dies ist sensitiver als ein Röntgen-Thorax (erst ab 200 ml) [30] .

Außerdem dient die Thoraxsonographie gerade bei geriatischen, häufig multimorbiden Patienten, die eine Krankenhausaufnahme nicht wünschen, zum Infiltratnachweis. So kann mit größerer Evidenz im Vergleich zur alleinigen klinischen Evaluation die Aufnahme einer empirischen Antibiose gerechtfertigt werden [20] .

Zum Management des Spontanpneumothorax ist darüber hinaus die Thoraxsonographie der Röntgenaufnahme des Thorax eine mindestens ebenbürtige Methode zum Nachweis eines Pneumothorax [53] .

Durch eine Echokardiographie können als wichtige Screeningmethode mehrere kardiale Ursachen einer Dyspnoe wie eine Herzklappen- oder eine Links- bzw. Rechtsherzerkrankung mit hoher Sensitivität und Spezifität ausgeschlossen bzw. nachgewiesen werden. So kann auch ein erster Verdacht auf eine pulmonale Hypertonie geäußert und weitere spezialisierte Untersuchungen initiiert werden. Sie ist nicht invasiv und schnell verfügbar, wird jedoch in den meisten hausärztlichen Praxen nicht vorgehalten, weswegen eine Überweisung zum Kardiologen notwendig ist.

Das Röntgen-Thorax ist eine häufig eingesetzte Methode, um eine Pneumonie als Ursache von Dyspnoe auszuschließen. Diese Untersuchung findet in der Regel ausschließlich bei Radiologen statt.

In der systematischen Übersichtsarbeit von Viniol et al. [63] konnte in rund 3 % der Fälle mittels Röntgen-Thorax eine Pneumonie detektiert werden. In einem aktuellen systematischen Review mit Metaanalyse konnte ferner gezeigt werden, dass bei Nichtverfügbarkeit eines Röntgen die Kombination aus klinischen Parametern wie Atemfrequenz > 20/min, Temperatur > 38,0° C, Puls > 100/min und auskultatorischen Rasselgeräuschen mit laborchemischen Parametern wie PCT > 0,25 ng/ml und CRP > 20 mg/l als am besten geeignetes Korrelat für die Diagnose eines Lungeninfiltrats mit nachfolgender Behandlungsindikation ist [32] .

Demgegenüber ist eine Überweisung zum Radiologen in jedem Fall erforderlich, sofern es sich um den Ausschluss oder die Bestätigung einer Lungenparenchymerkrankung wie Fibrose oder COPD, Thoraxwandveränderungen oder ein Malignom handelt. Hier ist in einem zweiten Schritt ggf. eine Computertomographie (CT) oder eine CT-Angiographie mit der Bestätigung des Verdachts einer Lungenembolie notwendig.

Abb. 2: Darstellung eines exemplarischen Behandlungspfads zur Differentialdiagnostik und Therapie des behandelnden Hausarztes bei Vorliegen einer Dyspnoe

Abkürzungen: ACS: akutes koronar Syndrom, TAA bei VHF: Tachyarrhythmia bei Vorhofflimmern, RG: Rasselgeräusche, RöTho: Röntgen Thorax, PE-Score: Pulmonal-embolie-Score

Seltene Ursachen: atypische Pneumonie, Nierenerkrankungen, Muskelerkrankungen

Dr. med. Georg Fröhlich (1), Dr. med. Kai Schorn (2), Dr. sc. hum. Heike Fröhlich (1)

(1) Internistisch – hausärztliche Praxis mit Schwerpunkt Diabetes, Waldbrunn

(2) Hausärztliche Gemeinschaftspraxis, Berlin

Kontakt zu den Autoren via E-Mail an: haebl@laekh.de

Multiple Choice-Fragen

Die Multiple Choice-Fragen zu dem Artikel „Dyspnoe: Eine Herausforderung in der internistisch-hausärztlichen Praxis“ von Dr. med. Georg Fröhlich, Dr. med. Kai Schorn und Dr. sc. hum. Heike Fröhlich finden Sie im Mitglieder-Portal der Landesärztekammer Hessen sowie am Ende dieser Seite unter „Artikel herunterladen“ in der PDF-Version dieses Artikels. Die Teilnahme zur Erlangung von Fortbildungspunkten ist ausschließlich online über das Mitglieder-Portal vom 25. November 2020 bis 24. November 2021 möglich.

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Dieser Artikel hat ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen. Nach Angaben der Autoren sind die Inhalte des Artikels produkt- und/oder dienstleistungsneutral, es bestehen keine Interessenkonflikte.

Interessenskonflikt: Georg Fröhlich, Kai Schorn und Heike Fröhlich geben an, dass kein Interessenskonflikt besteht. Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Literaturhinweise finden sich online unter www.laekh.de, Hessisches Ärzteblatt, Ausgabe 12/2020.